Grundriss der pathologischen Anatomie / von Gotthold Herxheimer.

  • Gotthold Herxheimer
Date:
1932
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Credit: Grundriss der pathologischen Anatomie / von Gotthold Herxheimer. Source: Wellcome Collection.

    500/732 (page 484)
    geht von eiterigen Entzündungen der Mundhöhle oder der Submaxillardrüsen oder eiteriger Peri¬ ostitis der Kiefer aus. Die Stomatitis ulcerosa (Stomakaze, Mundfäule) stellt eine Entzündung des Zahnfleisches dar, die durch den Ausgang in ausgedehnte Geschwürsbildung gekennzeichnet ist. Vom Zahnfleisch geht sie auf die Schleimhaut der Zunge und der Wange über. Sie kann auch hier geschwürigen Zerfall im Gefolge haben und auch zu Nekrose und Brand der Weichteile führen; die dabei entstehenden Ge¬ schwüre sondern ein höchst übelriechendes eiteriges Sekret ab. Ja selbst der Kiefer kann ergriffen werden. Am häufigsten begegnet man der Mundfäule im kindlichen Alter, besonders bei herabgekommenen, skrofulösen Kindern, die unter schlechten hygienischen Verhältnissen leben. Beim Erwachsenen rufen gewisse Vergiftungen (mit Quecksilber, Phosphor, Blei u. a.) ähnliche Erscheinungen hervor; auch die geschwürigen Zahnfleischveränderungen beim Skorbut gehören hierher. Bei Quecksilbervergiftung finden sich grauweiße Beläge am Zahnfleisch, die gangränös unter fürchter¬ lichem Geruch zerfallen. Es besteht äußerst starker Speichelfluß, mit dem das Quecksilber ausgeschieden wird. Bei Vergiftung mit Blei sieht man am Zahnfleischrand den schon erwähnten Bleisaum, der auf Schwefelblei¬ niederschlägen beruht. Ein ähnlicher Saum entsteht auch bei längerer Wismutaufnahme. Noma (Wasserkrebs) ist ein von der Grenze von Schleimhaut und Haut, meist an den Mundwinkeln (aber auch am Ohr und der Vulva) ausgehender Vorgang, welcher mit ödematöser Auftreibung und Zelldurchsetzung des Gewebes beginnt, aber sehr rasch zu gangränösem Zerfall führt; er greift besonders auf die Wangen und von da auf die nächstliegendenTeile über und kann ausgedehnte Zerstörungen des Gesichtes hervorrufen; Knochen und Knorpel, die dem Fortschreiten der Vorgänge im Wege liegen, fallen ebenfalls dem Untergang anheim. Die in ihrer Entstehungsursache nach nicht sicher erkannte und vielleicht vielgestaltige Erkrankung kommt besonders in den ersten Lebensjahren, namentlich bei dystrophischen Kindern vor. Die Veränderungen bei der Plaut-Vincentschen Angina, der Rachendiphtlierie und bei Schar¬ lach sind schon unter den Infektionskrankheiten im allgemeinen Teil besprochen. Ätzgifte, heiße Flüssigkeiten u. dgl. können auch Nekrose der Schleimhaut oder pseudomembranöse Entzündungen bewirken. Als umschriebene chronische katarrhalische Veränderung ist die sog. Leukoplakie oder Psoriasis lingualis et buccalis aufzufassen, welche in Wucherung und Verhornung des Epithels und Zelleinlagerungen in die subepithelialen Zellagen besteht und in Form verschieden gestalteter, vielfach zusammenfließender, weißer Flecke bei starkem Tabakgenuß, sowie im Gefolge von Syphilis, zuweilen auch als ,,idiopathische“ Hypertrophie infolge angeborener Anlage auf tritt. Krebse entwickeln sich häufig auf dem Boden der Leukoplakie (s. u.). Sehr häufig sind ,,Hypertrophien“ des lymphatischen Rachenringes als Teilerschei¬ nung allgemeiner Reaktion des lymphatischen Apparates, oder der lymphatische Rachenring ist allein vergrößert, oder dies ist vor allem nur mit den Gaumen- oder den Rachen-Mandeln der Fall. Es handelt sich dabei vor allem um Vermehrung und Vergrößerung der Lymphfollikel; oft finden sich, vor allem zwischen den Follikeln, zahlreiche Plasmazellen, die Durchwanderung von Lympho¬ zyten durch das Epithel ist besonders stark. Zumeist handelt es sich bei diesen Zuständen um Folgen von Entzündungen (s. o.). Tuberkulose — auch Lupus — Syphilis, sowie Aktinomykose sind schon im allgemeinen Teil besprochen. Der Soor, der vorzugsweise bei atrophischen kleinen Kindern, aber gelegentlich auch bei siechen Erwachsenen auf tritt, betrifft besonders die Zunge, dann auch die übrigen Teile der Mundhöhle und kann auf Rachen, Speiseröhre und Kehlkopf übergehen. Er kann selbst in den Magen und (durch Aspiration) in die Lungen gelangen, wo er Pneumonie hervorruft. Der Soorpilz (Oidium albicans, s. S. 254) bildet grauweiße Flecke oder zusammenhängende, aus Hyphen und Sporen bestehende Beläge. Er entwickelt sich zwischen den Epithelien. Die darunter liegende Schleimhaut ist entzündet und zu Blutungen geneigt, auch können die Soor¬ fäden in sie eindringen und selbst metastatisch auf dem Blutwege in andere Organe — sehr selten — gelangen. Die Mundhöhle Gesunder weist eine reiche Flora auf. Hierzu gehören (s. auch oben) Spirochäten (dentium und buccalis), fusiforme Bazillen, das Spirillum sputigenum, Leptothrixarten, ferner zahlreiche Bak¬ terien, darunter oft auch pathogene, wie Pneumokokken, Tuberkelbazillen, nicht selten Diphtheriebazillen usw. Bei perniziöser Anämie (auch Bothriozephalus-Anämie) sieht man die sog. Möller-Huntersche Glos- sitis. Man findet Rötung der Papillenspitzen, aphthenähnliche Bildungen, auch Flecke und zuweilen kleine geschwürsartige Bildungen. Anatomisch scheint es sich um eine Atrophie mit Hinzukommen entzündlicher Erscheinungen zu handeln. Vielleicht sind Nervendegenerationen grundlegend. Die Papillae filiformes können besonders am Zungenrücken hypertrophieren, so daß sie dunkle haarartige Gebilde bilden (sog. schwarze Haarzunge).