Volume 1
Handbuch der Hygiene / herausgegeben von M. Rubner, M. v. Gruber und M. Ficker.
- Max Rubner
- Date:
- 1911
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Credit: Handbuch der Hygiene / herausgegeben von M. Rubner, M. v. Gruber und M. Ficker. Source: Wellcome Collection.
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![politischen und wirtschaftlichen Lage der arbeitenden Klassen, der Zu- nahme der Kultur und der Lebensansprüche im allgemeinen, dem langen Frieden, der sozialen Schutzgesetzgebung, der Vermehrung der Zahl der Ärzte und Krankenhäuser, der Unterbringung großer Bevölkerungsmassen in den neuen und noch nicht durchseuchten Häusern der rasch wachsenden Städte zuzuschreiben. Indessen wäre es doch allzu bescheiden, wenn wir für das bewußte Eingreifen der Hygiene gar keinen Anspruch erheben würden. Wenn wir auch von der Austilgung der Pocken durch die Vakzi- nation und Eevakzination ganz absehen, weil ihre Anfänge in die vorhj'gie- nische Periode fallen, so bleiben doch die ziffernmäßig nachzuweisenden Er- folge der Wasserversorgung und Kanalisation, der rationellen Behausung, Be- kleidung, Ernährung der Gefangenen, der Soldaten usw. übrig; überhaupt die ganze bewundernswerte Verbesserung der GesundheitsVerhältnisse der Armeen, die Verminderung der Morbidität und Mortalität in den gesund- heitsschädlichen Gewerben u. a. Am schlagendsten wird wohl der Nutzen der hygienischen Wissenschaft für das Leben durch die Tatsache bewiesen, daß auch in den europäischen Fürstenhäusern die Sterblichkeit im Laufe des vorigen Jahrhunderts auf weniger als die Hälfte zurückgegangen ist, obwohl gewiß seit jeher dort alles getan wurde. was man nach der da- maligen Einsicht für nützlich hielt, um Leben und Gesundheit der fürst- lichen Sprossen zu schützen. Europäische Fürstenhäuser Absolute Anzahl der Todesfälle. — Eltern getraut: Alter 1750- -1799 1800- -1839 1840- -1881 (Jahre) Erwartung Beobachtung Erwartung Beobachtung Erwartg. Beobachtg. 0— 5 5—25 25—55 55— 212,7 86,1 202.2 350,8 219 87 180 299 207,3 92,2 185,4 75,5 126 80 115 51 204,8 54,6 16,0 79 34 3 851,8 785 560,4 372 1 275,4 116 An der Tatsache, daß die Wissenschaft der Hygiene sehr wesentlich mitgeholfen hat, die Sterblichkeit zu vermindern, das Leben zu verlängern, ist also wohl nicht zu] zweifeln. Was bedeutet aber diese Lebensverlän- gerung für die Gesundheit, Tüchtigkeit, Leistungsfähigkeit, Fortpflanzungs- tauglichkeit der heutigen Generation? Ist diese physisch besser geworden? Oder ist die Lebensverlängerung lediglich die Folge des Hinwegräumens äußerer Schädlichkeiten? In neuester Zeit verficht der hervorragende englische Mathematiker und Leiter des Galton Laboratory for National Eugenics, Karl Pearson [1], mit seiner Schule die Ansicht, daß die Umwelt (Nurture) nur einen minimalen Einfluß auf die Beschaffenheit des Individuums ausübe, die Hygiene selbst dem Soma*) gegenüber fast machtlos sei. , . , . Als Belege dafür teilt er eine große Zahl von sog. „Korrelationskoet- fizienten mit, die sich nicht oder nur wenig über Null erheben. Es ist je- doch von verschiedenen Gelehrten nachgewiesen worden, daß die Art, wie Pearson sein Material gesammelt und verarbeitet hat, zum Teil höchst an- *) Der individuelle Leib im Gegensatze zum Keiiuplasma.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21357626_0001_0022.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)