Psychopathia sexualis : eine klinisch-forensische Studie / von R. von Krafft-Ebing.
- Richard von Krafft-Ebing
- Date:
- 1886
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Credit: Psychopathia sexualis : eine klinisch-forensische Studie / von R. von Krafft-Ebing. Source: Wellcome Collection.
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![btirkeit, Kopfweh, Schwindel, epileptischen Anfallen, blieb in der Entwicklung- geistig und körperlich zuräck. Sie ist noch nicht menstruirt, bietet aber Molimina menstr. Ihre Mutter ist epilepsieverdächtig. Seit V4 Jahr hatte die H. öfter nach Anfällen verkehrte Sachen gemacht und dafür Amnesie geboten. Die H. erscheint deflorirt. Geistige Defekte bietet sie nicht. Von ihrer incriminirten That erklärt sie nicht das Geringste zu wissen. Nach dem Zeugniss der Mutter hatte sie am Morgen des 4. August einen epileptischen Anfall gehabt und die Mutter sie deshalb angewiesen, das Haus nicht zu verlassen. (Pürkhauer, Priedreich's Blätter f. ger. Med. 1879, H. 5.) Beobachtung 37. Unzüchtige Handlungen in Zuständen krankhafter Bewusstlosigkeit bei einem Epileptiker. T., Steuereinnehmer, 52 Jahre alt, verheirathet, ist angeklagt, seit etwa 17 Jahren mit Knaben Unzucht getrieben zu haben, indem er theils dieselben masturbirte, theils sich von ilmen masturbiren Hess. Der Angeklagte, ein geschätzter Beamter, ist sehr bestürzt über diese schreckliche Beschuldigung und behauptet, von den ihm zur Last gelegten Handlungen nicht das Geringste zu wissen. Seine Geistesintegrität erschien fraglich. Sein Hausarzt, der T. seit 20 Jahren kannte, hebt seinen verschlosseneu düsteren Charakter und häu- figen Stimmungswechsel hervor. Seine Frau berichtet, dass T. sie einmal ins Wasser stürzen wollte, ebenso dass er zeitweise Anfälle hatte, in denen er seine Kleider vom Leibe riss, sich zum Fenster hinausstürzen wollte. T. weiss auch von diesen Vorfällen nichts. Auch andere Zeugen berichten von auffallen- dem Wechsel der Stimmung, Bizarrerien des Charakters. Ein Arzt wiU auch zeitweise Schwindel- und Krampfanfälle bei T. constatirt haben. T.'s Grossmutter war irrsinnig, sein Vater war dem chronischen Alko- holismus anheimgefallen und hatte in den letzten Jalnren an epile]3tiformen Anfällen gelitten, dessen Bruder war irrsinnig und hatte einen Verwandten in einem deliranten Zustand getödtet. Ein weiterer Onkel des T. hatte sich ent- leibt. Von den 3 Kindern des T. war eines geistesschwach, ein anderes schie- lend, ein drittes hatte an Convulsionen gelitten. Der Angeklagte gab an, er habe zeitweise Anfälle gehabt, in welchen sich sein Bewusstsein ti-übte, so dass er nicht mehr wusste, was er that. Diese Anfälle wurden von einem aura- artigen Schmerz im Nacken eingeleitet. Es trieb ihn dann an die frische Luft. Er habe nicht gewusst, wohin er ging. Seine Frau habe ihn geschlecht- lich vollkommen befriedigt. Seit 18 Jahren habe er ein chronisches Eczem am Hodensack (thatsächlich), das ihm oft eine ausserordentliche geschlechtliche En-egung verursache. Die Gutachten der 6 Sachverständigen waren einander entgegengesetzt (Geistesgesundheit — Anfalle larvirter Epilepsie), die Stimmen der Jury waren getheilt, so dass Freisprechung erfolgte. Dr. Legrand du Saulle, der als Exjierte berufen war, constatirte, dass T. bis zum 22. Jahr etwa 10 —18mal jährlich ins Bett urinirt hatte. Nach dieser Zeit hatte die Enuresis nocturna aufgehört, aber seitdem waren zeitweise Stunden bis einen Tag dauernde tiefe Dämmerzustände mit Amnesie aufgetreten. Bald dar- auf wurde T. wegen öffentlicher Unsittlichkeit nochmals angeklagt und zu 15 Monaten verurtheilt. Im Kerker kränkelte er und wurde zusehends geistig schwächer. Er wurde deshalb begnadigt, aber die Geistesschwäche nahm über- hand. Wiederholt wurden epileptiforme Anfälle (tonische Krämpfe mit Be-](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b20421746_0092.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)