Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach.
- Rosenbach, O. (Ottomar), 1851-1907.
- Date:
- 1891
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Credit: Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach. Source: Wellcome Collection.
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![]20 Begriff der Kranklieit. der Dinge erforscht haben, und zugestanden — es liegen ja Beweise dafür vor —• dass durch empirisch gewonnene Mittel der Ablauf der Functionsstörungen, die wir Krankheit nennen, beeinflusst wird, so liegen die Thatsachen auf dem Geliiete der Functions Veränderungen im thierischen Körper jetzt so, dass von einer Un- klarheit über den mechanischen Zusammenhang der Erscheinungen nicht mehr die Eede sein kann, auch wenn wir die feinsten molecularen Umsetzungen, die die äusserlich sichtbaren, von uns Symptome genannten, Er- scheinungen hervorrufen, noch nicht kennen. Wir können die Vorgänge bei der Functionsveränderung, die wir Krankheit nennen, unschwer auf bekannte physikalische Bewegungsformen zurückführen und somit, ohne den Thatsachen Zwang anzuthun, die Anschauungen exacter Natur- wissenschaft und die hier übliche Terminologie auf das Gebiet der Pathologie übertragen und an den sogenannten Krankheitserscheinungen die Geltung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie demonstriren. Krankheit ist nicht, wie man nach VmcHOw's Vorgang definirt, „Leben unter veränderten Bedin- gungen schlechtweg, denn damit ist höchstens der Vorgang der „Anpassung umschrieben, sondern Krankheit ist eine andere Form derArbeitsvertheilung im Organismus. Krank sein heisst unter veränderten inneren Bedingungen, unter grösserem Ver- brauch von Spannkräften für innere (inter-und intramoleculare), wesentliche Arbeit leben. Wir wissen, dass bei veränderter Arbeitsvertheilung dann Krankheit vorhanden ist, wenn eine Leistungsinsufficienz für auss er- wesentliche Arbeit an einem Orte mit einem höheren Masse von intramolecularer (wesentlicher) Arbeit an demselben Orte oder an einem anderen vergesellschaftet ist, wenn von der Summe der zur Umsetzung in Arbeit verfügbaren Spannkräfte des Orga- nismus ein für die Gesammtsumme der Arbeitsleistung des Individuums wesentlicher Theil durch Vermehrung der inneren Arbeit in Abzug kommt. Wir wissen ferner, dass Beschafifenheit und Dauer der ursächlichen Momente, welche jene Veränderung der Arbeitsleistung bedingen — mögen sie nun ausserhalb oder innerhalb des Organismus liegen — im Wesentlichen die äussere Erscheinungsform des krankhaften Zustandes dadurch gestalten, dass die Veränderung der Arbeitsleistung sich in einer Reihe, auch äusserlich sichtbarer, Veränderungen in dem Ablaufe der Organthätigkeit, welche wir Symptome nennen, documentirt. Das, was wir den krankhaften Reiz nennen — bestehe er nun in einer Erschwerung der Arbeitsleistung des Körpers durch Veränderung der äusseren Lebensbedingungen, oder bestehe er in einer Mehrforderung an Arbeit durch die Einwirkung von Giften, die einen Theil der verfügbaren Spannkräfte verbrauchen, oder bestehe er in einer grösseren Inanspruchnahme durch die Thätigkeit der kleinsten Organismen, die einen Theil des Ernährungsmaterials ihres Wirthes für sich in Anspruch nehmen und den Wirth zwingen, darum mehr Ernährungsmaterial zu produciren und zu verarbeiten als sonst — das also, was wir krankhafte Reize nennen, sind entweder nur Auslösungsvor- gänge oder physikalisch-chemischeWirkungen von Spannkräften und Affinitäten fremder Körper, welche bei ihrer Einwirkung auf den (dadurch erkrankenden) Organismus eine andere Regu- lation seiner Arbeitsbedingungen, eine andere Umsetzung und einen Mehrverbrauch an Spannkräften, zum Theil ohne die Möglichkeit eines Ersatzes, herbeiführen. Sie erhöhen also, auch ohne Ansprüche an ausserwesentliche Thätigkeit, die Summe der geleisteten Arbeit und zwingen den Organismus zu einer dauernden Erhöhung seiner Arbeit ohne Ruhepawse für die Restitution des verbrauchten Materials. Sie schädigen den Körper um so mehr, wenn sie die innere Arbeit lebenswichtiger Organe erschweren und dadurch die Kraftquelle für den Körper versiegen lassen.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21075372_0140.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)