Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach.
- Rosenbach, O. (Ottomar), 1851-1907.
- Date:
- 1891
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Credit: Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach. Source: Wellcome Collection.
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![Wir subsumiren unter diesen Begriff die gewöhnlichen Reflexbewegungen, also gewisse, rein physikalisch aufzufassende, Verschiebungen der Theile im Räume, und die Reflexprocesse (reflectorisch erfolgende Umsetzungen), welche nicht bloss die Stellung der kleinsten Gewebstheile, der organischen Molecüle, zu einander (i ntermoleculare Umsetzungen), sondern vor Allem die Verbindungen der Atome mit anderen Atomen, also die i n t r a molecularen Umsetzungen (chemischer Natur) betreffen. Um eine bestimmte Reflexthätigkeit auszulösen, d. h, die aufgespeicherten, leicht umsetzbaren, Spannkräfte ihre Arbeit leisten zu lassen, muss erst ein gewisses Trägheitsmoment, welches man auch als Reizsehwelle bezeichnen könnte, über wunden werden, und der Auslösungsvorgang dauert eine gewisse, wenn auch noch so kleine Zeit, weil, bevor die Spannkräfte frei werden können, Widerstände in der Leitung und Entfernungen zu überwinden sind. In einer Reihe von Fällen liegt nicht bloss ein einmal wirkender Auslösungsvorgang vor, sondern der Reiz muss eine Summe von lebendiger Kraft repräsentiren, welche mindestens äquivalent ist der Summe der Spannkräfte, die der Organismus frei werden lässt; in anderen Fällen ist der als Reiz durch besondere Affinität wirkende Körper bloss dadurch wirksam, dass er in schneller Folge Auslösungen und Uebertragungen zu Stande bringt, durch die viel grössere Spannkraftsummen in Arbeit umgewandelt werden, als es seiner eigenen, in der Zeiteinheit vorhandenen lebendigen Kraft entspricht*) (Fermentwirkungen durch Sauerstoffübertragung nach M. Traube, Wirkung der Mikroorganismen, die ausser- ordentlich grosse Spannkraftsummen in Arbeit [in lebhafte Bewegung ihrer eigenen Molecüle, die zur Lostrennung von Molecülgruppen führt, d. h. neue Individuen pro- ducirt] umsetzen). Nicht in allen Fällen ist also die Grösse der Reaction direet proportional der Grösse des ursprünglichen Reizes, d. h. nicht in allen Fällen kommt im Organismus eine Kraftsumme zur Auslösung als Arbeit, die der jewei- ligen primären lebendigen Kraft des Reizes entspricht. Der Muskel z. B. leistet wegen seiner Verbindung mit dem Nervensystem, das als Auslösungsapparat eingeschaltet ist, und von dessen Gestaltung die Form der ausgelösten Kraft abhängt, auf die geringfügigsten Reize (sensible Erregung) hin eine grosse Summe von Arbeit; er muss also seine Spannkräfte in einer Form vorräthig haben, in der die Bindung derselben im Molecül und Atom die denkbar schwächste ist, so dass der geringste Anstoss eine Art von Explosion hervorruft. (Vielleicht handelt es sich bei der Contraction, bei der N umgesetzt werden muss, um die Umsetzung explosiver Nitroverbindungen, die nur Kraft, aber wenig Wärme entwickeln, während beim fieberhaften Processe der Muskel nur Wärme (iutramoleculare Leistung), aber keine, mit Volumensveränderung verbundene, [intermoleculare] Arbeit producirt.) In jedem Falle aber wirkt ceteris paribus ein stärkerer Reiz bei denselben Individuen auch stärker erregend, so lange die leicht auslösbaren Spannkraftvorräthe vorhanden sind. Wenn aber auch eine bestimmte Summe von lebendiger Kraft durch Auslösung von Spannkräften in Folge eines Reizes (d. h. durch einen Anstoss, der die Sättigung freier Affinitäten des lebenden Molecüls herbeiführt) frei wird, so gelangt dieselbe nie voll als äussere, sichtbare Arbeit zur Geltung, da ein Theil der Energie natürlich in Wärme übergeführt und für innere (iutramoleculare) Vorgänge verbraucht wird. Jede Reaction ist also Umsatz von Spannkräften in Arbeit und Wärme. Das Facit aller Anpassungsvorgänge ist schliesslich, dass durch Ineinander- greifen der Affinitäten aller Theile der festweichen organischen Substanz bei niederen, und durch Vermittlung des Blutes und der Ernährungsflüssigkeit bei höheren Thieren die Leistung der wesentlichen Arbeit auch in allen Fällen, in denen *) Eine solche Arbeit kann nach dem Gesetze der Erhaltung der Kraft natürlich nur geleistet werden, wenn der Körper, der derartige Wirkungen entfaltet, durch eine andere Kraft (Wärme) in den Stand gesetzt wird, schnellere und stärkere intermoleculare und iutramoleculare Schwingungen auszuführen, wenn auf die festere Bindung seiner Molecüle und Atome nicht dieselbe Arbeit wie bei anderen Substanzen verwendet wird.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21075372_0153.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)