Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach.
- Rosenbach, O. (Ottomar), 1851-1907.
- Date:
- 1891
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Credit: Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach. Source: Wellcome Collection.
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![ziehen, eigene Reize zu bilden, d. h. Auslösungsvorgänge hervorzurufen und dadurch eine Arbeitsleistung zu erzielen, deren sie selbst zur Existenz bedürfen. Solche Substanzen können aber auch — und das ist das Wahrscheinlichere — dadurch specifisch wirken, dass sie die Reaction des Wirthes auf den „ausserwesent- lichen Reiz, Ucämlich die Temperatursteigerung, die als Auslösungs- vorgang für die Thätigkeit der „lebenden Molecüle der Mikrobien nothwendig ist, verhindern. Wenn nun dasjenige Mittel, das auf die Verhältnisse der intra- oder intermolecularen Sauerstolfbindung des Gewebes Einfluss hat, als wirksam im Kampfe gegen die ausserwesentlichen Reize, unter denen Bacterien und ihre Producte die Hauptrolle spielen, betrachtet werden kann, so muss es eine Methode geben, die dadurch, dass sie die lebenden „Molecüle und ihre Thermogene selbst in Angriff nimmt, die Aufnahme des Sauerstoffes direct beeinflusst und somit auch die Beziehungen, des Sauerstoffes zu den Mikrobien möglichst ungünstig zu gestalten im Stande ist. Diese Methode, die eine lange Zeit eine unheilvolle Rolle in der Medicin gespielt hat, ist die Venaesection, und an ihrer Geschichte zeigt sich deutlich, wie ein an sich richtiger Gedanke, durch den Wunsch, ihn zu verallgemeinern und ein Schema für die „Behandlung überhaupt zu gewinnen, bei der Anwendung in der Praxis die verkehrtesten Resultate zu Tage fördern musste. Es kann kein Zweifel sein, dass im Blute die Spannkräfte, namentlich soweit es sich um Verbindungen mit molecularem Sauerstoff handelt, am reichlichsten vorhanden sind; ist ja doch das Blut die Quelle, aus der die Gewebe jederzeit reichlich die schnell zur Ver- werthung kommenden Stoffe beziehen, enthält ja das Blut neben (molecular) gebun- denem Sauerstoff auch die Substanzen, die energisch intramoleculare Sauerstoff- verbindungen eingehen (d. h. verbrennen). Nimmt man nun dem Körper Blut in grösserer Menge, so greift man mehr oder weniger energisch in den Kraftvorrath und damit in die Verhältnisse der Spannkraftumsetzung ein, und die Folge ist, da ja die Grösse der Spannkraftumsetzung identisch ist mit der Grösse der Erregbarkeit, eine Veränderung derselben. Aber wie schwer ist es, den Grad dieser Veränderung abzu- schätzen, da ja die Erregbarkeit der Individuen so sehr verschieden ist, wie schwer ist es, abzuschätzen, ob durch Venaesection eine Verringerung oder eine Steigerung der Erregbarkeit herbeigeführt wird. Diese Schwierigkeit haben ja die alten Aerzte empfunden und sie mit ihrer Annahme einer sthenischen und asthenischen Form der Erkrankung, d. h. die Leistung der wesentlichen Arbeit bei erregbaren und unerregbaren Individuen, zu beseitigen versucht, ein Versuch, der nicht gelingen kann, da sich in der Gleichung R r= ID (R = Reaction, I = [Irritamentum] Reiz, D = Disposition) zwei Unbekannte befinden, nämlich die Stärke des Reizes und die der Disposition (die Grösse des auf den phylogenetischen, physiologischen Reiz erfolgenden Umsatzes von Spannkraftmengen). Wenn wir nun einen stark reagirenden Kranken, einen Kranken mit ausgeprägt sthenischen Symptomen, vor uns haben, so können wir nur in den seltensten Fällen entscheiden, ob die Stärke der Reaction von einer primären Sthenie, d. h. einer grossen Lebhaftigkeit der Reflexvorgänge (Reflexumsetzungen und Reflexbewegungen), oder nur von einer besonderen Stärke des vorhandenen Reizes abhängt, und demgemäss vermögen wir die Grösse der Dosis, die Stärke der Venaesection, nicht zu bestimmen. Nehmen wir an, wir hätten eine bestimmte Blutmenge entzogen, so können wir verschiedene Folgezustände haben: In einem Falle wird durch die Entziehung die Erregbarkeit gesteigert, weil jetzt lebhaftere Bewegungen der übrigen Bionen, die ihres Sauerstoffes stärker beraubt werden und also schnellere Schwingungen der Atome zeigen werden, eintreten, im anderen Falle wird, wenn viel Blut entzogen ist, für den Augenblick keine ausreichende Anzahl von (molecular) sauerstoffbindenden Bionen des Blutes zur Dis- position sein, die lebendige Kraft der Bionen des Gewebes wird aus Mangel an Sauerstoff immer geringer und endlich tritt labiles Gleichgewicht ein (ünerregbarkeit, Ohnmacht). In einem dritten Falle werden die Bionen, wenn keine reducirenden Substanzen da sind, mit dem Sauerstoff eine festere moleculare Verbindung eingehen als sonst, da sie ja aus Mangel an thermogenen Molecülen auch den Theil ihrer molecularen Affinität,](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21075372_0171.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)