Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach.
- Rosenbach, O. (Ottomar), 1851-1907.
- Date:
- 1891
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Credit: Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach. Source: Wellcome Collection.
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![Besonders hervorzuheben ist noch, dass „verzettelte Dosen tiberhaupt. keinen Effect ausüben, und dass, ebenso wie bei den Autipyreticis der temperatur- herabsetzende Einfluss nur bei voller Dosis eintritt, auch das Tuberkulin nur dann voll wirkt, wenn die Gesammtdosis auf einmal gegeben wird. Wenn man z. B. bei einem Patienten mit 3 Mgrm. einen bedeutenden Effect erzielt, so bleiben, wie wir beobachtet haben, 4 Mgrm., die im Verlaufe mehrerer Stunden injicirt, werden, ohne Wirkung. Von hervorragender Wichtigkeit für die Theorie der Wirkung ist auch wohl der Umstand, dass die so auffallende Gewöhnung der Patienten an das Mittel bei schnell auf einander folgenden Injectionen eigentlich keine dauernde ist, sondern dass nach längerer Pause in der Behandlung schon relativ klein» Dosen des Mittels wieder recht beträchtliche Wirkungen hervorrufen. So sahen wir, um nur einige prägnante Fälle herauszugreifen, bei einem Patienten Sa., der bei 15 Mgrm. gar nicht mehr, bei 21 Mgrm. nur kurzdauernd bis 39 reagirte, nach achttägiger Injectionspause bei einer Injection von nur 10 Mgrm. die Temperatur auf 40*2^ den höchsten, bis dahin erreichten, Grad, steigen; so sahen wir bei der Patientin Ha., die bei 10 Mgrm. fast gar keine Einwirkung mehr (38'3) zeigte, nach neuntägiger Pause bei einer Einspritzung von 4 Mgrm. ein achtstündiges Fieber von 39'0 eintreten, so zeigte ein Patient, der am 10. auf eine Frühinjection von 15 Mgrm. bis 39'5 reagirte, nach zwölf- tägiger Pause bei einer Dosis von nur 10 Mgrm., die noch dazu zur ungünstigsten Zeit — nämlich des Abends — injicirt wurde, bereits nach 5 Stunden eine Temperatur von über 40*. So fand sich bei einer Patientin, die bei 5 Mgrm. am Abend gar nicht reagirte und bei einer nach einigen Tagen erfolgten Frühinjection derselben Gabe nur eine ganz kurze Steigerung über 39 aufwies , nach achttägiger Pause bei Injection derselben Quantität — fast 41° und langdauernde Erhebung über 40**. Hierher gehören noch folgende Fälle: Z. (bacilläre Phthise) zeigt bei Injection von 32 Mgrm. 387, bei 34 Mgrm. keine Eeaction, aber nach einer Pause von 14 Tagen bei Injection von nur 20 Mgrm. eine langdauernde Temperaturerhöhung bis 40'1. G. (Spondylarthrocace) hat bei 6 Mgrm. nur 38'3, nach vierwöchentlicher Pause aber schon bei O'OOl Reaction von 39'7. Am interessantesten bezüglich des Einflusses der Injectionspausen ist der Fall G. (bacilläre Phthise). Hier war bei allmäliger Steigerung der Dosis bis 35 Mgrm. überhaupt keine Reaction erfolgt; als aber nach 14tägigem Intervalle die Injectionen wieder aufgenommen wurden, trat bei der Anfangsdosis von ]5 Mgrm. sofort eine Reaction bis 39'2 auf. Eine Beziehung des Fiebers zu dem, immerhin nicht häufig auftretenden Milztumor haben wir nicht constatiren können, ebensowenig einen Einfluss der Reaction auf die Beschaffenheit der Bacillen. Das Verhalten derselben verdient eine besondere Besprechung, doch wollen wir hier nur hervorheben, dass wir im Ganzen sechsmal das Vorkommen von auffallenden Veränderungen in Zahl, Lagerung und Aussehen der Bacillen beobachteten. In allen diesen Fällen handelte es sich um jene eigenthümlichen, schon mehrfach als charakteristisch beschriebenen Häufchenbildungen, um Zerfall der in Häufchen liegenden Bacillen in kleinere und kleinste Partikel, um auffallende Schmalheit und Kürze der Stäbchen oder um besonders häufiges Auftreten der auch sonst nicht seltenen Einschnürungen, durch die die Bacillen in aneinander gereihte, sporenähnliche Körper verwandelt werden. Von diesen 6 Fällen sind 3 überhaupt nicht mit Einspritzungen behandelt worden, bei 2 anderen zeigten sich die Häufchen schon in der Beobachtungs- periode vor den Einspritzungen und erfuhren während der Injectionen keine wesentliche Veränderung. In einem einzigen Falle, der ein sehr spärliches, zähes Sputum mit spärlichen Bacillen hatte, fehlten die Häufchen vor den Injectionen und fanden sich erst nach denselben ein, wobei zugleich die Zahl der Bacillen sich beträchtlich vermehrte. Es scheint uns aus diesen und anderen Beobachtungen hervorzugehen, dass die Zahl der Häufchen und ihr Zerfall mehr mit dem Reichthum an Bacillen überhaupt, als mit der Einwirkung des Tuberkulin zusammen- hängt. Dass der Zerfall überhaupt zur Höhe des Fiebers oder zur Heilung des Processes in Beziehung steht, erscheint uns fraglich, da unter den 6 erwähnten Fällen sich solche, die eine günstige, und solche, die eine ungünstige Prognose boten , in gleicher Zahl befanden.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21075372_0190.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)