Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach.
- Rosenbach, O. (Ottomar), 1851-1907.
- Date:
- 1891
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Credit: Grundlagen, Aufgaben und Grenzen der Therapie : nebst einem Anhange : Kritik des Koch'schen Verfahrens / von O. Rosenbach. Source: Wellcome Collection.
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![Blut im Kreislauf zu Grunde geht, tritt diese bis dahin latente Fähigkeit der Niere in den Vordergrund, und es bedarf zur Erklärung dieser Thatsache keiner der bis jetzt giltigen Annahmen von Veränderung des Blutdrucks, der Blut- gesehwindigkeit oder einer Schädigung der Nieren. Warum sollte denn die Ausscheidung der sogenannten abnormen, dem Blute beigemengten, Substanzen der Eiweissgruppe, welche ohne wesentliche Veränderung der der Ernährung der Zellen dienenden Substanzen im Blute circuliren, welche also dem Normal- blute nur zu gemischt sind, warum sollte denn, sagen wir, die Ausscheidung dieser Substanzen, während die Zusammensetzung des Blutes sonst absolut dieselbe geblieben ist, eine Schädigung der Niere bewirken ? Man müsste denn annehmen, dass die sogenannten abnormen Substanzen, die ja aber in Wirk- lichkeit nur Componenten des Normalblutes sind, diesen schädlichen Einfluss ausüben. Wie soll mau sich denn vorstellen, dass Gallenfarbstoffe, Pepton, gelöstes Hämoglobin, selbst Hühnereiweiss und noch manche andere harmlose StoflPe einen solchen schädlichen Effect haben? Ausserdem müssen wir doch er- wägen, dass die von uns in solchen Fällen supponirte scheinbare Veränderung der Niere — deren Effect eben das Auftreten von Stoffen im Urin sein soll, die sonst zwar ohne jeden Schaden für die Nieren im Blute circuliren, aber die Niere für gewöhnlich nicht passiren — so schnell nach Ausscheidung einer gewissen Menge der erwähnten Stoffe verschwindet, wie dies z.B. bei der periodischen Hämoglobinurie, bei intermittirender Peptonurie der Fall ist, wo ja das scheinbar so kranke Organ bereits wenige Stunden nach dem Aufall wieder dauernd normalen Urin secernirt. Wir leugnen durchaus nicht, dass veränderte Blutbeschaffenheit, d. h. namentlich ein Mangel an den wesentlich der Ernährung eines Organs dienenden Stoffen, z. B. Mangel an Sauerstoff etc., zu bedeutenden Ernährungsstörungen und damit zu abnormer Thätigkeit eines Organs Veranlassung geben kann , aber wir bestreiten, dass innerhalb weiter Grenzen die Aufnahme gewisser Quantitäten harmloser Substanzen in das Normalblut — ein Blut, welches seine relative Zusammensetzung bewahrt hat — so schnell deletär einwirken könne, da wir in dem Organismus eine grosse Reihe von Compen- sationsvorrichtungen besitzen, die jeder abnormen Blutmischung entgegenarbeiten, indem sie fremde Substanzen zerstören oder aus dem Organismus herausbefördern. Wir leugnen auch nicht, dass es eine Reihe von Stoffen giebt, die selbst bei normaler Zusammensetzung des Blutes Ernährungsstörungen in den Geweben, die sie passiren, hervorrufen können, wir rechnen nur die erwähnten Stoffe der Eiweissgruppe und viele andere Substanzen nicht zu dieser Kategorie, als deren typischer Repräsentant bezüglich der Niere wohl chromsaure Metallsalze zu be- trachten sind, die die Nierenepithelien an den Stellen, wo sie ausgeschieden werden, unter der Form der Coagulationsnecrose tödten. Man kann wohl, ohne gerade des Hanges zur Teleologie beschuldigt zu werden, den Satz aufstellen, dass ein Excretionsorgan um so mehr seinen Zweck erfüllt, je mehr es Substanzen ausscheidet, die imBlute überflüssig sind, und dass es gerade ein Zeichen von kräftiger Thätigkeit ist, wenn es, ohne zu leiden, gewissen Veränderungen des Stoffwechsels, durch welche schädliche Producte imKörper aufgehäuft werden würden, durch Abscheidung derselben möglichst energisch ent- gegenarb eitet. Wie sollte man ohne Annahme vermehrter, secretorischer Thätigkeit der Nieren eine Reihe pathologischer Vorgänge erklären, z. B. die Hämoglobinurie, der oft blosse Albuminurie vorausgeht, die Peptonurie, die Eiweissausscheidung bei Icterus? Soll man annehmen, dass die Molecüle des Hämoglobins grösser sind als die des Serumalbumins und dass die des letzteren grösser sind als die des Peptons? Hat Hühnereiweiss etwa ein kleineres ]\[olecül, als das Eiweiss des Blutes ? Wie soll man sich die Filtration des im Blutplasma gelösten Gallenfarbstoffes und seine Trennung vom Ei- Rosenbach, Therapie. 3](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21075372_0053.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)