Psychiatrie für Ärzte und Studierende / bearb. von Th. Ziehen.

  • Ziehen, Th. (Theodor), 1862-1950.
Date:
1908
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Credit: Psychiatrie für Ärzte und Studierende / bearb. von Th. Ziehen. Source: Wellcome Collection.

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    Wir werden daher auch der Betrachtung der pathologischen psychi- schen Prozesse das oben erörterte Schema zugrunde legen und in jedem Fall zuerst die Störungen der Empfindungen, dann die Störungen der Erinnerungsbilder oder Vorstellungen, dann die Störungen der Ideen- assoziation und schließlich den Einfluß dieser Störungen auf die Be- wegungen, resp. Handlungen des Kranken untersuchen. Daraus, daß alle die obengenannten Prozesse, Empfindung, Vor- stellung, Ideenassoziation, Handlung in der Hirnrinde sich abspielen, ergibt sich, daß die Psychiatrie einen Abschnitt und zwar den wich- tigsten der Lehre von den Hirnrindenerkrankungen bildet. Keine Psychose ohne Rindenerkrankung. Die der Psychose zugrunde liegende Rindenerkrankung ist oft eine funktionelle, d. h. unseren seitherigen üntersuchungsmethoden ist der pathologisch-anatomische Nachweis der Rindenveränderung bei vielen Psychosen noch nicht gelungen. Nur bei bestimmten Psychosen, so z. B. bei der sog. Dementia paralytica oder „Gehirnerweichung^ des Laien läßt sich eine organische Erkrankung der Hirnrinde nachweisen. Oft ergibt in diesen Fällen schon der makroskopische Anblick eine Verschmälerung der Rinde, jedenfalls weist aber in Übereinstimmung mit unseren obigen Erörterungen die mikroskopische Untersuchung einen ausgedehnten Untergang von Ganglienzellen und Assoziationsfasern in der Hirn- rinde nach. Jede Rindenerkrankung bedingt eine gewisse Störung des psychi- schen Prozesses. Diese Störung hat bald den Charakter eines Herd- symptoms, bald deutet sie auf eine diffuse Erkrankung. So kann durch eine Erkrankung der Rinde des Okzipitallappens an bestimmter Stelle der ausschließHche Wegfall aller Gesichtsempfindungen ohne irgend welche andere Störung bedingt werden. Hier hat die psychische Störung den Charakter eines Herdsymptoms. Bei den Psychosen im engeren Sinne ist meist die psychische Störung keine so isolierte, vielmehr be- teiligön sich an derselben die Empfindungen und Vorstellungen aller Rindenbezirke. Die meisten Psychosen im engeren Sinne beruhen so- mit auf selir ausgebreiteten diffusen Rindenerkrankungen teils organischen, teils funktionellen Charakters.