Beiträge zur Chirurgie : anschliessend an einen Bericht über die Thätigkeit der chirurgischen Universitäts-klinik zu Halle im Jahre 1873 / von Richard Volkmann.
- Volkmann, Richard von, 1830-1889.
- Date:
- 1875
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Credit: Beiträge zur Chirurgie : anschliessend an einen Bericht über die Thätigkeit der chirurgischen Universitäts-klinik zu Halle im Jahre 1873 / von Richard Volkmann. Source: Wellcome Collection.
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![Nach den mir zngeg:angenen Berichten von Sachverständigen dürften per Jahr circa 600.000 Centner Theer gewonnen werden, die eine Ausbeute von lUO.OOO Centner Paratin und 30(».00(i Centner Oel liefern. Das erste Product ist stets der sog. Brannkohlentheer, eine schwarzgrüne, wasser- fltissige Masse, die auf dem Wege der einfachen Schwelung gewonnen wird, und ans der man dann durch weitere Destillationen die leichteren und schwereren Oele: Benzine. Photogene, Solaröle, oder wie sie genannt werden, und das Paraffin herstellt. Dass es in solchen Fal)riken nicht ohne allerhand Verletzungen und Unglücksfälle ahgeht. ist hegreiflich. und so halte ich denn in der Klinik immer dann und wann mit ihrem Arbeiterpersonale zu thun gehabt, und die Schilderung, die ich im Folgenden von ihren eigenthiimlichen Hauterkrankungen geben werde, basirt auf Erfah- rungen, die sich über die letzten sieben Jahre zurück erstrecken. Denn sehr bald zeigte sich, dass diese Leute, sobald sie nur einige Zeit in denjenigen Branchen gearbeitet, welche einen fortwährenden Contact mit den noch flüssigen oder breiigen Fal)rikationsproducten voraussetzen, fast ausnahmslos Erkrankungen der Hautdecken darboten, die von ihnen selbst als »Theerkrätze« bezeichnet werden. Der etwas befremdliche Xame erklärt sich leicht, wenn ich hinzufüge, dass gewisse Formen oder Stadien dieser Hautaffection mit heftigem Jucken verbunden sind. so dass die Träger derselben vielfach veranlasst sind sich zu kratzen. Die Intensität und selbst die Foim der Hauterkrankungen war in den verschiedenen Fällen je nach der individuellen Disposition, der grösseren oder geringeren Reinlichkeit der betretfendeu Individuen und besonders der Art und der Dauer der Beschäftigung in der Fabrik sehr verschieden. *) Das was sich in allen Fällen älteren D atums nachwei.sen Hess, war eine vermehrte Anhildung von Epidermis und eine gesteigerte Thätigkeit der Talgdrüsen. Die Haut des Körpers wird spröde, trocken, ])ergamentartig oder selbst abschilfernd und rissig, wie man es in geringerem Maasse leicht an den eigenen Händen bemerkt, wenn man sie längere Zeit hindurch mit stärkeren Carhol- säurelösungen 3—0 „ benetzt hat. Am ganzen Kör])er. wenn schon keineswegs ülterall gleichmässig, erscheint die Epidermis verdickt. Die Ausführungsgänge der Talgdrüsen sind erweitert und liilden. wenn sich der Theer in ihnen festsetzt, mohnkorn- bis stecknadelkopfgrosse schwarze Punkte, die. wo sie gleichmässig über den ganzen Körper ausgesät sind, einen bliebst eigenthümlichen Anblick gewähren, zumal wenn infolge einer leichten reactiven Induration der Gewebe in der Umgebung der dilatirten Ausführungsgänge diese selbst etwas über das Hantuiveau prominireu. An einzelnen Stellen häufen sich dann tbeils die hyperplastisch gewucherten Epidermiszellen. theils der vermehrt abgesonderte Hauttalg, theils endlich eine Mischung von beiden in stärkerer Masse an und es ent- ' Bei dem Besuche einer unserer giössten Fabriken fand ich zunächst die reinen Theer.schweler ganz frei. Sie ziehen den Tlieer einfach ab. wobei .sie .<;ich höchstens einmal die Hände, aber weder die Kleider noch den übrigen Korper verunreinigen. Doch mögen einzelne Fälle von Erkrankungen auch bei ihnen vorkommen. Aber auch unter denjenigen, die ausschlies.slich mit dem festen, fertigen Paraffin hantierten, fand ich keine Hauterkran- kungen. Es könnte dies insofern auffallen, als man ja die Paraffinverbände, in denen man eine kurze Zeit einen Ersatz für die Gypsverbände gefunden zu haben glaubte, zum Theil desswegen aufgegeben hat, weil unter ihnen pustulöse und eczematöse Erujuionen entstanden, die »ich durch grosse Hartnäckigkeit auszeichneten Ii. r. Liini/i-ii- herh . Indess erklärt es sich leicht, wenn man bedenkt, dass die .\rheiter das fertige, trockene Paraffin sowie die Paraffinkerzen, die ebenfalls in diesen Fabriken fabricirt werden, eben nur mit der durch dicke Epidermis geschütz- ten Palniartiäche von Hand und Fingern in Berührung bringen. Diese Körperpartien aber fand ich in allen Fällen, auch der intensivsten und ausgebreitetsten Erkrankung stets frei. Hingegen boten ifast alle Arbeiter Störungen an den Hautdecken dar. welche mit den flüssigen oder breiweichen Producten zu manipuliren hatten und sich mit ihnen fortwährend benetzen; so namentlich die Arbeiter an den Pressen, in den Kellern, wo das rohe noch sehr schmutzige und ölige Paraffin aus den ersten Formen genommen und zerkleinert wird u s. w. Alle niese Leute ziehen in der Fabrik und für die .\rbeit besondere Kleider an . die ganz von den Fabrikationsj)roducten durchtränkt sind und förmlich starren. Sie helfen sich dann gelegentlich damit, dass sie diese Kleidungsstücke, obschon es ihnen ver- boten ist, mit den Braunkohlenölen Photogen Solaröl ete auswaschen! 47*](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b2169283x_0391.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)