Volume 1

Die pathologischen Beckenformen / von Carl Breuss und Alexander Kolisko.

  • Breus, Carl, 1852-1914.
Date:
1900-
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Credit: Die pathologischen Beckenformen / von Carl Breuss und Alexander Kolisko. Source: Wellcome Collection.

    718/722 (page 706)
    Hüftbeinen und die Wandlungen, welche das Wachsthum in der Plastik des Darmbeines bewirkt. Ebenso bekennt Litzmann selbst, dass er nicht Gelegenheit hatte, .,an frischen kindlichen Becken den Ort der Einklemmung nachzuweisen'’, und dass er sich an Becken Erwachsener vergeblich bemüht habe, den ehemaligen Drehpunkt zu erkennen (1. c., pag. 35). Dass Litzmann schliesslich den Druck der Gedärme und das Wachsthum der inneren Sexualorgane anrufen musste, zeigt, in welche Verlegenheit ihn das Versagen seiner Rumpflastmechanik in der jMorphogenese des allgemein verengten Beckens gebracht hat. Wir haben auf die Bedenken bezüglich dieser Factoren hingewiesen. Was endlich die Druckwirkung auf die Pars iliaca zur Erklärung ihrer Krümmung aubelangt, so lässt sich diese Ansicht gegenüber den Veränderungen, welche die Plastik dieses Knochenstückes durch die von uns beleuchteten Wachsthumsvorgänge erfährt (pag. 586 u. ff.), nicht aufrecht erhalten. Kommt ja doch nicht einmal die Krümmung der Linea arcuata des rachitischen Darmbeines durch Druck und Kumpf¬ last zu Stande, sondern erweist sich, wie wir gefunden haben, als ein¬ facher Wachsthumseffect. Auf dem von Litzmann verfolgten Wege ist die Morphogenese des allgemein gleichmässig verengten Beckens nicht zu durchhellen. Aus hypoplastischer Hemmung des Wachsthumes der Beckenknochen erklärt sie sich ohne Schwierigkeit. Dies gilt auch für Fälle, in welchen das hypoplastische Becken nicht eine tadellose Miniatur des normalen repräsentirt, sondern auch einzelne Abweichungen von der normalen Beckengestalt zeigt. Diese so¬ wie das Vorkommen sogenannter infantiler Charaktere an dem hypo¬ plastischen Becken erscheinen verständlich, wenn man die Umgestal¬ tung des kindlichen Beckens zur Form des erwachsenen sich nicht mit Litzmann als auf mechanischem Wege erfolgend vorstellt, sondern in ihr den Effect der Wachsthumsvorgänge im Beckenringe erblickt. Das (enchondrale) Wachsthum der Beckenknochen ist ja bekanntlich kein allerorten ganz gleichmässig vertheiltes, sondern es findet nur an einzelnen bestimmten Stellen, d. i. an den im Beckenringe einge¬ schalteten Wachsthumsknorpeln in einer complicirten örtlichen und zeitlichen Anordnung statt Bei hypoplastischer Hemmung des Wachsthumsprocesses kann die¬ selbe, auch wenn sie eine allgemeine ist, unter dem Einflüsse secun- därer Momente (pag. 644) begreiflicherweise leicht in einer oder der anderen Wachsthumszone dem Grade nach verschieden zum Ausdrucke kommen. Auf diese Art werden auch bei einfacher Hypoplasie einzelne Abweichungen von der normalen Form oder das Verbleiben soge¬ nannter infantiler Charaktere verständlich.