Vor fünfzig Jahren / von Walter Artelt.

  • Walter Artelt
Date:
1953
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Credit: Vor fünfzig Jahren / von Walter Artelt. Source: Wellcome Collection.

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    sionales Kristalltintenfaß. Käufermassen schieben sich in den Vorweihnachtstagen durch die Warenhäuser. Messels Neubau des Berliner Warenhauses Wertheim geht seiner Fertigstellung entgegen. Das war die Umwelt des deutschen Arztes vor 50 Jahren, und wenn er in den besinn¬ lichen Tagen zwischen Weihnachten und Neu¬ jahr zurückdachte an das, was sich in diesem Jahr in seiner eigenen Sphäre ereignet hatte, dann mag er wohl zuerst an die Ergebnisse der Radiologie gedacht haben. Die Welt der Strahlen stand 1903 im Brennpunkt des Interesses. Becquerel und das Ehepaar Curie erhalten für ihre Forschungen über Radioaktivität den Nobelpreis für Physik. Sir William Ramsay gelingt es, die Umwandlung von Radium in Flelium nachzuweisen. Rutherford entdeckt a-, ß- und /-Strahlen. Danysz erkennt die selektive Wirkung der Radiumemanation auf maligne Tumoren. Elster und Geitel stellen die Radioaktivität von Heilquellen fest. Auch die biologischen Wirkungen der Rönt¬ genstrahlen beginnen sich deutlicher abzu¬ zeichnen. Albers-Schönberg entdeckt im Tier¬ versuch den schädigenden Einfluß der Röntgen¬ strahlen auf die Keimdrüsen. In der medizi¬ nischen Fachpresse wird die Frage lebhaft ventiliert, ob sich auch der praktische Arzt eine Röntgeneinrichtung beschaffen solle. Der Zahnmediziner Walkhoff durchleuchtet den Schädel aus dem Neandertal, weist seine nor¬ male Knochenstruktur nach und widerlegt damit endgültig die These, es handle sich um ein rezentes pathologisches Gebilde, an der Virchow eigensinnig bis zu seinem Tode im Vorjahr festgehalten hatte. Der Nobelpreis für Medizin wird dem Dänen Finsen zuge¬ sprochen für seine Lichttherapie, die er seit sieben Jahren entwickelt hat. Zschimmer stellt das ultraviolettdurchlässige Uviolglas her, und Schott benützt es für seine Ultra¬ violett-Quecksilberlampe. Wie sehr man von diesen Problemen in Atem gehalten ist, bezeugt die Naturforscherver¬ sammlung des Jahres, die im September 1903 in Kassel stattfindet, besucht von mehr als 2000 Teilnehmern. Ramsay selber spricht über das periodische System der Elemente, und Rieders Hauptvortrag über die bisheri¬ ; ' . ' ’ 1 gen Erfolge der Licht-, Radium- und Rön gentherapie entfesselt eine lebhafte Di kussion.*) Der erste medizinische Hauptvortrag abi stammt aus dem Bereich der Bakteriolc gie, Serologie und Immunologi Behring, wenige Wochen zuvor für seit Entdeckung des Diphtherie- und Tetanu; serums zum „Wirklichen Geheimen Rath m dem Titel Exzellenz“ ernannt, spricht üb< die Tuberkulosebekämpfung: „Ob derjenig Krankheitszustand, den wir alle unter der Namen Lungenschwindsucht nur allzu gt kennen, heilbar ist ... , das weiß ich nicht . ] Dagegen will ich hier die Kunst, einem noc nicht tuberkulösen Individuum Tuberkulose schütz zu verleihen, zum Gegenstand meine Untersuchung machen.“ Er berichtet von seif nen Rinderschutzimpfungen in Hessen um auf der Bolleschen Meierei in Köpenick, ii Mecklenburg und Österreich-Ungarn. De Impfstoff hat sich bewährt und ist seit kurzen freigegeben. Damit kann eine bedeutsame In fektionsgefahr unschädlich gemacht' werden denn „die Säuglingsmilch ist die HauptquelL für die Schwindsuchtentstehung“. Sein letzte Ziel ist, so schließt Behring, „das Überflüssig werden aller Schwindsucht - Heimstätten -Heilstätten und -Schutzstätten durch da Kampfmittel, durch dessen Anwendung Jeni ner die alten Pockenhäuser überflüssig ge! macht hat, durch die Tuberkuloseschutz¬ impfung.“ — Die Zeitungen aber lassen sich aus Italien berichten, Behring wolle die Vilh Krupp auf Capri in ein Tuberkulose-Sana¬ torium umwandeln, ein Volksprotest dei Inselbevölkerung wird angekündigt. In Wirk¬ lichkeit erwägt die preußische Regierung in diesen Monaten die Errichtung eines „Institut Behring“ für die Serumtherapie, die Herstel¬ lung und Prüfung von Heilsera nach dem Pariser Vorbild des „Institut Pasteur“. *) Treten wir in einer Vortragspause in die mit der Naturforscherversammlung verbundene Ausstellung, um nach den Objekten Ausschau zu halten, die der Vor¬ sitzende der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte, Professor van't Hoff, in seiner Ansprache hervor¬ gehoben hat: das neue von Siedentopf und Zsigmondy entwickelte Ultramikroskop, beruhend auf der Dunkel¬ feldmethode, „die wunderschönen Photographien, die mit Bakterienlicht aufgenommep worden sind, die pracht¬ vollen Farbenphotographien, den Magnet, der aus dem Auge eiserne Gegenstände entfernen kann. Und daß die Vollständigkeit nicht außer acht gelassen worden ist, das beweist wohl die Mitausstellung des aller- neuesten Damenkorsetts.