Ueber Ausgangspunkte und Verbreitungswege des Carcinoms im weiblichen Becken / von Wilh. Alex. Freund.
- Freund, W. A. (Wilhelm Alexander), 1833-1918.
- Date:
- [between 1870 and 1879?]
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Credit: Ueber Ausgangspunkte und Verbreitungswege des Carcinoms im weiblichen Becken / von Wilh. Alex. Freund. Source: Wellcome Collection.
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![mehrstündigem Blutabgange gefolgt. Seit 5 Monaten hat sich stinkender jauchiger Abgang aus der Scheide, andauernder Schmerz in der Tiefe des Beckens, schmerz¬ haftes Sitzen, erschwerte, sehr schmerzhafte Defäcation, Tenesmus, Ischurie, Schlaf- und endlich Appetitlosigkeit eingestellt. Die sehr heruntergekommene Frau bietet einen höchst auffallenden Befund an den Genitalien. Von der Grenze des unteren und mittleren Drittels aufwärts wird die hintere Vaginalwand von einer knolligen, harten, exulcerirten Krebswucherung eingenommen, welche nach den Seiten sich rechts bis zur Umbeugungsstelle zur vorderen Wand , links noch eine kleine Strecke auf diese selbst, und etwa 6 Cm. nach oben erstreckt. — Diese Wucherung setzt sich oben mit einem harten Rand scharf gegen die glatte Schleimhaut ab — und die bimanuell von der Scheide und dem Mastdarm aus unternommene Untersuchung lehrt, dass an jener Stelle in der. That eine scharfe Scheidung des Kranken und Gesunden stattfindet; denn die oberhalb der Wucherung liegende Partie der hinteren Scheidenwand ist dünn, glatt, anscheinend von durchaus normaler Beschaffenheit. Die mittleren Partien der Vaginalrectalwand fühlen sich (bimanuell) gleicbmässig colossal verdickt und derb an; es ist aber bemerkenswert!], dass nur im mittleren Umfange dieser knolligen Masse die Schleim¬ haut des Mastdarmes faltenlos und unverschieblich fest mit dem darunterliegenden infiltrirten Gewebe verbunden erscheint. Eine Ulceration existirt auch an dieser Stelle der Schleimhaut nicht. — Bei der hier veritilirten Frage des primären Auf¬ tretens der Neubildung verdient dieser 'Punkt besondere Betonung. — Die weitere Untersuchung deckt ein für unsere Frage sehr interessantes Verhalten des Laquear vaginae auf. Dasselbe erscheint durch eine hochgradige, scheinbar in ganz gesun¬ dem Vaginalgewebe liegende stenosirte Partie für den Finger abgeschlossen; eine dünne Knopfsonde passirt einen etwa 1 Cm. langen engen Kanal, kann hierauf vom Mastdarm her im Laquear vaginae posterius betastet und von hier aus in den vetroflectirten, abnorm ausgedehnten Uterus geführt werden. Diese zur vollen Klarheit eruirten Verhältnisse treten in der Section (nach ^monatlicher Beob¬ achtung war die Kranke erschöpft gestorben) ebenso zu Tage. Die dritte Figur (einen Sagittalschnitt durch die Beckenorgane darstellend) bedarf kaum eines Wortes zur Erläuterung, Der 4. Fall bot bei Verhältnissen, welche den eben beschriebenen sehr ähnlich sind, sehr in¬ teressante praetisch-diagnostische Seiten. Während des Lebens der auf der sogenannten Krebsstation des hiesigen Aller¬ heiligen-Hospitals untergebrachten 48jährigen Frau, welche im 40. Jahre verheirathet niemals coneipirt hatte, war die Diagnose auf medullar-carcinomatöse Degeneration der Portio vaginalis mit Ausbreitung der Neubildung auf Cervix und Corpus uteri und auf das Beckenzellgewebe gestellt worden; einen etwa kindskopfgrossen, weich elastischen, ziemlich deutlich flucturrenden Tumor, welcher aus dem Becken aufsteigend ziemlich median bis an den Nabel reichte, hatte man für eine ein- kammerige Ovarialcyste gehalten. —- Noch die Exploration an der zunächst unver¬ letzten, ja eine Zeitlang bis zur genaueren Prüfung an der eröffneten Leiche schien diese Annahme zu bestätigen. Sorgfältiges Zusehen, vor Allem der Sagittalschnitt f](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b30570244_0010.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)