Tagebuch einer medizinischen Reise nach England, Holland und Belgien / von Gg. Varrentrapp.
- Varrentrapp, Georg, 1809-1886.
- Date:
- 1839
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Credit: Tagebuch einer medizinischen Reise nach England, Holland und Belgien / von Gg. Varrentrapp. Source: Wellcome Collection.
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![lain ist sehr zufrieden mit seinen soeiirs; freilich hat er auch unbedingte Gewalt über sie, kann sie, wenn untauglich, un- folgsam oder selbst anordnend, augenblicklich entlassen u. s. w. (Zu meinem Erstaunen hörte ich später allgemein im Publikum von einer andern Anstalt Gent's erzählen, dass ihre Fliege dort lange nicht so gut, ja der allgemeinen Meinung nach hart und her- risch sei; freilich stehen die soeurs dort sehr unabhängig vom Arzte). — Guislain durch sein Traite sur l'alienation mentale et sur les hospices des alienes, 1826, und sein neueres Werk sur les phrenopathies hinlänglich bekannt, die erste Autorität Belgiens in seinem Fache, von den Engländern zum Theil als die erste auf dem Continent angesehen, hält in der Behandlung der Irren sehr wenig vom Mediziniren und ist im Vergleich zu früher sehr davon zurückgekommen. Opium und chiniuum sul- phuricum (wegen der niederländischen überall durchspielenden Wechselfieber) sind ihm noch die Hauptsache. Den Aderlass hat er fast ganz verlassen, auch den tartarus emeticus wendet er kaum an. Bäder werden sehr wenige gegeben, Douchebä- der gar nicht, da Guislain durch die schwierige Anwendungs- art und die dadurch hervorgebrachte Aufregung mehr Nachtheil, als von dem eigentlichen Eifekt Nutzen gesehen haben will. Gute Kost, Pflege, Ruhe, anhaltende Beschäftigung, Belohnun- gen der verschiedensten Art, namentlich auch zeitweise durch baares Geld, sind ihm Hauptsache. Da die Gärten nur kleine zwischen den Quadraten eingeschlossene Räume sind, so ist eine Beschäftigung der Irren mit Gartenarbeit nicht möglicli; die Weiber sind ganz vorzüglich zum Spitzenklöp])ehi ver- wendet; überhaupt aber sind gewöhnlich fünf Sechstheile al- ler Irren mit Arbeit beschäftiget, gewiss eine sehr grosse Zahl. Das Irrenhaus fSir Männer, welches etwas kleiner, als das der Weiber ist, liegt davon ganz entfernt. Ich sah es nicht; Guislain, der ebenfalls Arzt daran, schien es vermeiden zu wollen. Da er mir mit grosser Freundlichkeit die bessere An- stalt gezeigt hatte, w^oUte ich nicht darauf bestehen. Das Män- ner-Irrenhaus ist nändich in jeder Beziehung ungleich schlech- ter, oder eigentlich geradezu grundschlecht. Die allgemeine Meinung schreibt es dejn Umstände zu, dass die dasselbe be- sorgenden Brüder eine zu grosse Gewalt haben und jeder Re- form sehr abgeneigt sind.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21082170_0647.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)