Die Alkoholfrage : eine soziologisch-statistische Untersuchung / von Matti Helenius.
- Matti Helenius-Seppälä
- Date:
- 1903
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Credit: Die Alkoholfrage : eine soziologisch-statistische Untersuchung / von Matti Helenius. Source: Wellcome Collection.
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![ihren Whisky gezahlt, mit einberechnet, auch hat man nicht den Wert der Leistungsfähigkeit, um welche die Gesellschaft durch die Entar- tung dieser Familie gebracht worden, geschätzt. Schliesslich will ich noch eine höchst interessante statistische Unter- suchung anführen, die freilich mit dem früher Erwähnten zusammen- hängt, die aber auf grund ihrer ausserordentlichen Tragweite beson- ders erwähnt zu werden verdient. AVir verdanken dieselbe dem be- kannten Physiologen Bunge Mit grosser Besorgnis hat man wahr- genommen, dass die Mütter heutzutage in gewissen Gegenden immer mehr und mehr die Fähigkeit verlieren selbst ihre Kinder zu stillen. Ab- gesehen von der Naturwidrigkeit der Thatsache, dass ein Menschen- kind mit künstlicher Nahrung ernährt wird, „weil, wie Bunge sagt, „man den mächtigen Instinkt der Mutterliebe nicht ersetzen kann durch einen Soxhlet-Apparat, ist statistisch festgestellt worden, dass die Sterblichkeit unter den mit Kuhmilch oder künstlicher Nahrung aufgezogenen Kindern um viele mal grösser ist, als unter den an der Brust ernährten ^). „Jedenfalls wissen wir, sagt Bunge, „dass in der civilisierten Welt Jahr aus Jahr ein Hunderttausende von Kindern durch die Kuhmilchernährung einfach gemordet werden. Die heid- nischen Völker des Altertums gestatteten den Kindesmord, die christ- lichen Völker der Gegenwart quälen ihre Kinder langsam zu Tode ■^). Was ist denn der Grund dazu, dass die Mütter heutzutage nicht selber ihre Kinder stillen ? Einige unterlassen es aus Bequemlichkeit, ihre Anzahl ist aber verhältnismässig gering. Etwas grösser ist die Zahl derer, welche durch wirtschaftliche Not oder durch ihre Berufsarbeit am Stillen gehindert werden. Aber auch diese machen nur eine Min- derzahl der Nichtstillenden aus. Die meisten Mütter, die ihre Kinder nicht stillen, sind dazu physisc]i unfähig. Mit statistischen Daten stützt Bunge seine Vermutung, dass die Mehrzahl der Mütter in den Städten Mittel-Europas heutzutage unfähig sind ihre Kinder zu stillen*). Der bekannte Kinderarzt Biedert ist bei einer histo- rischen Untersuchung zu dem Kesultat gelangt, dass die künstliche Kinderernährung im Altertum ganz unbekannt war, und dass erst um das Jahr 1500 die ersten Angaben über diese Art Kinder zu ernähren in Deutschland auftauchen^). Christ, praktischer Arzt in der asiatischen Türkei, erzählt, dass noch in unseren Tagen die künstliche Kinderernährung unter den türkischen, arabischen, armenischen und kurdischen Müttern unbekannt ist*^). Die Unfähigkeit der Frauen unserer civilisierten Völker ihre Kinder zu stillen scheint sich also erst in den letzten Jahrhunderten eingestellt zu haben. Bunge meint, wir ständen also der Quelle nicht allzu fern; und in der Hoffnung diese linden zu können, hat er, von einer Menge Aerzte in der Schweiz, in Deutschland und Oesterreich unterstützt, eine statistische Unter- 1) Die zunehmende Unfähigkeit der Frauen ihre Kinder zu stillen. Die Ur- sachen dieser Unfähigkeit, die Mittel zur Verhütung. Ein Vortrag von G. von Bunge, Professor an der Universität Basel. München, 1900. 2) Ibid. S. 16. — Westergaard, Mortalität und Morbilität. Zweite Aufl. S. 359-364, 368. 3) Bunge , 1. c. S. 16. 4) Ibid. S. 17. 5) Cit. Ibid. S. 18. 6) Vgl. Ibid. S. 18.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21295050_0275.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)