Psychologie des Kindlichen Interesses / von Ladislaus Nagy ; Einzige autorislerte Übersetzung aus dem Ungarischen, von K.G. Szidon.
- Nagy, Lásló, 1857-1931.
- Date:
- 1912
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Credit: Psychologie des Kindlichen Interesses / von Ladislaus Nagy ; Einzige autorislerte Übersetzung aus dem Ungarischen, von K.G. Szidon. Source: Wellcome Collection.
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![naturgemäße Verhältnis zwischen der Individualität des Kindes und der Außenwelt willkürlich umzuwandeln. Wenn wir vielleicht dieses Anrecht uns auch dadurch zueignen, daß wir die sozialen Aufgaben in den Vorder- grund rücken, so fragt es sich, ob eben dem Erfolg zuliebe richtig ist, das natürliche Verhältnis zu stören, und ein künstliches Verhältnis, welches mit dem ersteren im diametralen Gregensatze steht, an dessen Stelle zu setzen. Das Kind erreicht wahrscheinlich auf die Art am leichtesten den meisten Erfolg, welchen ihm die Natur vorher bezeichnete. Das Kind befolgt auch unwillkürlich jenes hochwichtige G-esetz der Psycho- logie, welches wir das Gesetz der Entfaltung der kleinsten Kräfte nennen. Der Kampf, den die Mechanik um die Ersparnis der Kräfte fort- setzt, ist auch ein psychologischer instinktiver Zug des Kindes. In unserem Unterricht sollen auch wir dies Gesetz vor Augen halten; denn der geradeste und der am ehesten zum Ziele führende Weg ist immerdar der, den die Natur befolgt und die beste Methode ist die, welche am Wege der Natur fort- schreitet. Der heutige Unterricht berücksichtigt nicht genügend die Rechte des individuellen Interesses, sondern richtet sich nach allgemeinen Schemen. Wenn aber unser heutiger, verallgemeinernder Unterricht in den meisten Fällen die Individualität des Kindes dennoch nicht zu unterdrücken vermag, so ist es nicht das Verdienst der Methode, sondern es kommt daher, daß die individuellen Kräfte des Kindes mit instinktiver Stärke die Schranken der Schemen überbrücken und denen zu trotz durchgreifen. Die Folge dieses Kampfes ist, daß Lehrer und Zögling gleichermaßen viele Kräfte verprassen und der Erfolg steht nicht im Verhältnisse zu der aufgebrauchten Arbeit. Das Kind vergißt, was es in der Schule gelernt, weil es sich außerhalb derselben damit nicht mehr befaßt. Die Wege des individuellen Interesses der Schule und des Kindes weichen von ein- ander ab. Diese finden außerhalb der Schule Befriedigung. Wenn wir aber in dem Unterricht auf das Geltendmachen der jVlotive des individuellen Interesses des Kindes drängen, wollen wir keinesfalls das Prinzip der allgemeinen Ausbildung, oder, wie es die Herbartsche Pädagogik ausdrückt, die Folgen des vielseitigen Interesses abbrechen. Auch wir verurteilen die einseitige Entfaltung der kindlichen Geistes- funktionen und erachten es für notwendig, die vielfachen Richtungen des Willens zu sichern. Die Einseitigkeit legt die ununterbrochene An])assung der Individualität lahm, und nur die Vielseitigkeit verbürgt eine Konti- nuität der Entwicklung. Die Idee des individuellen Bildens steht ja nicht im Gegensätze der allgemeinen Bildung, mit der Idee der viel-](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b29011048_0193.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)