Die Schwindsucht der Arbeiter : ihre Ursachen, Häufigkeit und Verhütung / von Th. Sommerfeld.

  • Sommerfeld, Theodor J., 1860-1929.
Date:
1895
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Credit: Die Schwindsucht der Arbeiter : ihre Ursachen, Häufigkeit und Verhütung / von Th. Sommerfeld. Source: Wellcome Collection.

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    Trotzdem die Mehrzahl der Arbeiter infolge ihrer Berufs- thätigkeit intensiver Staubeinathmung ausgesetzt ist, begegnen wir bei ihnen bei weitem häufiger der Tuberkulose als der aus- gesprochenen Staublunge. Dieser Umstand ist aber für den- jenigen, welcher mit den Arbeits- und Lebensverhcältnissen der arbeitenden Bevölkerung vertraut ist, keineswegs überraschend, weil hier oft zahlreiche Momente zusammenfallen, von denen jedes einzelne schon geeignet ist, der Ansiedelung der Schwind- suchtserreger Vorschub zu leisten. Mit diesem Satze präzisire ich auch meine Stellung zu der Frage, welche Bedeutung den Tuberkelbazillen bei der Entwickelung der Tuberkulose zukommt, und schliesse mich mit vollster Ueberzeugung denen an, welche behaupten, dass hierzu keineswegs die Einwanderung der Tu- berkelbazillen ausreicht, sondern dass diese einen für ihre Wu- cherung geeigneten Nährboden vorfinden müssen. Der mensch- liche Körper, sagt Orth, verhält sich eben nicht wie ein geeigneter Nährstoff im Reagenzglas, auf den man nur die Ba- zillen zu bringen braucht, um sie zum Wachsen zu bringen; er ist kein todtes Substrat, das sich widerstandslos den Parasiten hingiebt, er ist lebendig, er leistet Widerstand; es genügt nicht, dass er mit dem Gift in Berührung komme, er muss auch so beschaffen sein, dass das Gift haften bleiben und sich vermehren kann, er muss disponirt zur Erkrankung sein. Die Disposition, d. i. die Verminderung der Widerstands- fähigkeit des Körpers gegen die Einwirkung der Tuberkelbazillen kann eine allgemeine oder örtliche sein. Worauf die allgemeine Disposition oder physiologische Dürftigkeit, wie Bouchardat sie nennt, beruht, ist zwar wissenschaftlich nicht geklärt, aber gleichviel, ob es sich hierbei um gröbere oder feinere morpho- logische Eigenthümlichkeiten der Körperzellen oder des Blutes handelt oder um geringe chemische Abweichungen von der Norm, nicht hinwegzuleugnen ist die durch die Erfahrungen vieler Jahrhunderte gestützte Beobachtung, dass Personen, welche von syphilitischen oder in Folge anderer schwerer Krankheiten ge- schwächten Eltern abstammen, Personen, welche mit dem phthi- sischen Habitus behaftet sind oder auch durch die Erki'ankung an mancherlei akuten und chronischen Krankheiten, z. B. Masern, Keuchhusten, Syphilis und Zuckerharnruhr eine Schwächung der Konstitution davongetragen haben, leichter und häufiger der Tuberkulose anheimfallen, als von gesunden Eltern abstammende und nicht geschwächte Personen. Die örtliche Disposition zur Schwindsucht beruht auf krankhaften Zuständen einzelner Or- gane. Alle Momente, welche den gesammten Organismus oder