Neuritis und Polyneuritis / von Ernst Remak ; anatomischer und pathologisch-antomischer Theil bearbeitet von Edward Flatau.

  • Remak, Ernst (Ernst Julius), 1848-1911.
Date:
1900
Catalogue details

Licence: In copyright

Credit: Neuritis und Polyneuritis / von Ernst Remak ; anatomischer und pathologisch-antomischer Theil bearbeitet von Edward Flatau. Source: Wellcome Collection.

Provider: This material has been provided by King’s College London. The original may be consulted at King’s College London.

    722/754 (page 688)
    deutung der Syphilis (vgl. S. 588), Raymond aber bei seinem Falle sich für ein Zusammenwirken beider ätiologischer Momente entschieden. Ein besonderer Typus dieser Fälle von sogenannter mercurialer Polyneuritis lässt sich nicht erkennen. Während v. Leyden bei einem 23jährigen schlecht genährten Schneider eine drei Tage nach der Be- endigung einer wegen syphilitischer Secundärerscheinungen eingeleiteten Schmiercur einsetzende acute Ataxie (Neurotabes peripherica acuta) mit Heilung binnen fünf Monaten beschrieb, treten nur noch in dem V. Engel'schen Falle atactische Symptome in den Vordergrund. In den anderen Fällen handelte es sich um mehr oder minder schwere symmetrische amyotrophische Polyneuritis, besonders schwere in dem Raymond'schen Falle, wo es zu vollständiger Lähmung der Beine und Vorderarme, Betheiligung der Rumpf- und Bauchmuskeln, Parese beider Faciales, Tachycardie kam, während der Brau er'sehe Fall sogar letal verlief. Die meisten Erkrankungen betrafen durch irgend welche Momente herabgekommene Individuen. Bemerkenswerth ist, dass die Fälle von V. Engel, Spillmann und Etienne, Raymond mit Albuminurie ein- hergingen. Quecksilber konnte einige Male im Harn nachgewiesen werden. Beweisender für das Vorkommen einer mercurialen Polyneuritis er- scheinen Fälle von Nichtsyphilitischen. Von solchen liegen aber nur drei oder eigentlich nur zwei in der Literatur vor, nämlich der erste Fall von Spillmann und Etienne, dann ein neuerdings von Faworski mit- getheilter, während der Ketli'sche zweifelhaft ist. Der Spillmann und Etienne'sche Fall betrifft einen 35jährigen Mann, der wegen einer Gonorrhoe und Epididymitis von einem Apotheker mit Quecksilber innerlich und äusserlich sechs Monate lang behandelt wurde. Danach Salivation, Anorexie, Erbrechen, lancinirende Schmerzen erst im linken, dann in beiden Beinen, dann Contracturen und Crampi der Arme, Anschwellung des linken Kuiees, zu- nehmende Lähmung. Man constatirte Stomatitis und Gingivitis, beträchtliche Al- buminurie, Quecksilbergehalt des Urins, Lähmung der unteren und oberen Extremi- täten, spontane und Druckschmerzen, Verminderung derEeflexe, sehr ausgesprochene Muskelatrophie, aber normale Sensibilität und keine Entartungsreaction. Easche Besserung, bei der nach mehreren Wochen die Patellarreflexe gestei- gert waren. Ausgesprochene Symptome der amyotrophischen Polyneuritis bot der Fa- worski'sche Fall eines 56jährigen nicht syphilitischen und nicht alkoholistisehen Mannes, der nach unbeabsichtigter innerlicher Sublimatvergiftung (l'17^r inner- halb von fünf Stunden) an Erbrechen, Durchfall, später Dysenterie erkrankte. Im Verlaufe von 1^2 Wochen entwickelte sich totale Lähmung der oberen und unteren Extremitäten mit stärkerer Betheiligung der Strecker, peripherische Anästhesie, starke schiessende Schmerzen, Druckschmerzhaftigkeit, Entartungsreaction, Ver- lust der Kniephänomene. Nach sechs Monaten war der Kranke ganz hergestellt. Nach Faworski erinnert der Fall durch die gleichzeitige Erkrankung der motori- schen und sensiblen Nerven, sowie durch seinen Verlauf an die Arsenikpolyneuritis.