Der Volksglaube als Wegbereiter der Bluttransfusion / von Walter Artelt.

  • Walter Artelt
Date:
1941
Catalogue details

Licence: In copyright

Credit: Der Volksglaube als Wegbereiter der Bluttransfusion / von Walter Artelt. Source: Wellcome Collection.

    1/6
    Sonderabdruck aus: wissenschaften, hrsg. von Walter von Brunn und Rudolph Zaunick Bd. 34 H. 1—4 (Leipzig: J. A. Barth 1941) S. 29—34 Der Volksglaube als Wegbereiter der Bluttransfusion Von Doz. Dr. med. habil., med. dent. et phil: Walter Artelt Frankfurt a. Main1) ' ' • ? Die Bluttransfusion nimmt eine merkwürdige Sonderstellung in der Geschichte der einzelnen chirurgischen Verfahren ein. Man spricht Jahrzehnte, ja, fast ein Jahrhundert lang von einer der¬ artigen Maßnahme und führt dabei selbst technische Einzelheiten an, ehe um die Mitte des 17. Jhdts. die ersten praktischen Ver¬ suche gemacht werden. Kaum werden diese ersten Experimente bekannt, so überstürzen sich die praktischen Erprobungen des Verfahrens an den verschiedenen wissenschaftlichen Zentren Europas. Nach wenigen Jahr :n aber werden diese Versuche fast völlig wieder eingestellt, und di Operation führt wie zuvor für lange Zeit nur noch ein theoretisches Dasein, ehe sie ihren endgültigen Platz in der Heilkunde erhält und behauptet. Der Grund für diese typologisch einzigartige Entwicklung liegt in den Beziehungen der Bluttransfusion zum Volksglauben begründet. Das Blut ist im Volksglauben2) bei den verschiedensten Völkern heute wie in Antike und Mittelalter Träger des Lebens, bestimmter geistiger und körperlicher Eigenschaften und Fähig¬ keiten und der Sippenverwandtschaft. Alle diese Funktionen des Blutes sind nach dem Volksglauben mit dem Blut übertragbar. Mit dem Blute starker und mutiger Menschen oder Tiere kann man sich Mut und Stärke aneignen. Man kann durch das Blut nacht¬ sichtiger Tiere nachtsehend werden. Mit dem Blutgenuß kann man in ein Verwandtschaftsverhältnis eintreten, die Zuneigung eines fremden Individuums gewinnen. Durch das Blut eines Gesunden können bestimmte Krankheiten geheilt werden, wie Epilepsie, Lepra usw. Und durch das Blut jugendfrischer Menschen kann man schließlich —und das ist die verbreitetste Anschauung —verjüngen. *) Nach einem auf dem XI. Internationalen Kongreß für Geschichte der Medizin am 2. September 1938 in Zagreb gehaltenen Vortrage. 2) Vgl. zum folgenden: Eduard Stemplinger und E. Hoffmann- Krayer, Artikel „Blut“ im Handwörterbuch d. dtsch. Aberglaubens, hrsg. von und die dort zusammengestellte Literatur. >o