Zur Geschichte der Konstitutionslehre / von Max Neuburger.

  • Neuburger, Max, 1868-1955
Date:
1913
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Credit: Zur Geschichte der Konstitutionslehre / von Max Neuburger. Source: Wellcome Collection.

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    Faktoren, sondern auch von inneren, im Organismus selbst liegenden Momenten bedingt wird. Worin diese letzteren bestehen, suchte man aus der jeweilig herrschenden physiologisch-pathologischen Grund¬ anschauung zu deduzieren, doch spielten neben den Logismen stets auch aus der Empirie gezogene Schlußfolgerungen eine bedeutsame Rolle. Der zwiefache, auf Spekulation und Beobachtung beruhende Ur¬ sprung läßt sich schon in den hippokratischen Schriften nach weisen, welche entsprechend ihrer individualisierenden Richtung in der Therapie, entsprechend ihren scharf ausgeprägten prognostischen Tendenzen wie¬ derholt die Bedeutung des konstitutionellen Moments hervorheben. Für Hippokrates ist die Konstitution etwas Angeborenes, sie kann im Wesen nicht umgestaltet, durch die Lebensweise höchstens leicht modi¬ fiziert werden. Er unterscheidet die gute und die schlechte, die starke und die schwache, die schlaffe, fette, feuchte Konstitution, gegenüber der straffen, gedrungenen, trocknen. Die verschiedenen Konstitutionen disponieren zu gewissen Erkrankungen und beeinflussen die kritischen Erscheinungen akuter Leiden. Besonders bemerkenswert ist es, daß Hippokrates als Erkennungszeichen konstitutioneller Schwäche gelegentlich bestimmte örtliche Anomalien, gewisse Organveränderungen und Funktionsstörungen angibt. Mustergültig ist in dieser Hinsicht insbesondere die Schilderung des Habitus phthi- sicus. Neben solchen Ergebnissen nüchterner Beobachtung finden sich aber in hippokratischen Schriften mehr oder minder scharf formulierte naturphilosophische Ideen, und gerade diese, die Theorie von den vier Elementen, Qualitäten, Humores, waren es, welche durch die Schule der Dogmatiker zum Schematismus ausgebildet, fürderhin die weitere Ent¬ wicklung der Konstitutionslehre bestimmten. Namentlich kommt in dieser Hinsicht das Buch de natura hominis in Betracht, wo die vier Kardinalsäfte (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle), korrespon¬ dierend den vier Elementen oder Qualitäten (warm, kalt, feucht, trocken) als konstituierende Bestandteile des Körpers hingestellt werden, deren richtige Mengung Gesundheit, deren gestörtes Mischungsverhältnis Dyskrasie, Krankheit bedinge. Hier ist die Quelle nicht nur der Krasen- theorie, sondern auch der Doktrin von den vier Temperamenten (dem sanguinischen, cholerischen, melancholischen, phlegmatischen) zu suchen, welche in mancherlei Modifikationen viele Jahrhunderte hin¬ durch nahezu das Um und Auf der Konstitutionslehre ausmachte. Dar¬ nach besteht bei jedem Individuum schon innerhalb der Grenzen der Gesundheit eine gewisse Präponcleranz der einen oder anderen Elementar¬ qualität (Kardinalflüssigkeit), wodurch die Empfänglichkeit für den schädlichen Reiz des entsprechenden äußeren Elements, somit die Disposition zu einer bestimmten Krankheitsgruppe gegeben ist. Wie der Organismus als Ganzes, besitzt auch jedes Organ sein eigenes Tem-