Die Grundlagen der psychischen Entwicklung : eine Einführung in die Kinderpsychologie / von K. Koffka.
- Kurt Koffka
- Date:
- 1921
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Credit: Die Grundlagen der psychischen Entwicklung : eine Einführung in die Kinderpsychologie / von K. Koffka. Source: Wellcome Collection.
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![auch die Bewegungen, die man macht, um die Erde über dem ver¬ scharrten Gegenstand festzudrücken; dann ging das Tier wieder an seine gewohnte Beschäftigung, ganz unbeirrt dadurch, daß die Nuß ja doch gänzlich unbedeckt geblieben war. Zum Verständnis muh man wissen, daß frei lebende Eichhörnchen auf diese Weise wirklich hamstern, sie verscharren die Nüsse 2 bis 3 cm unter der Erde und linden sie später durch den Geruch wieder. Das Tier, von dem wir eben berichten, war aber in seinem Leben noch nie auf freier Erde gewesen72). An diesen Beispielen können wir das typische dieser Bewegungen erkennen: ein Lebewesen kann ohne irgendwelche Erfahrung äußerst zweckmäßige für sein eigenes Leben oder die Erhaltung der Art notwendige Handlungen ausführen, die nie ganz einfach, meist aber äußerst kompliziert sind und in keiner einfachen Be¬ ziehung zu den Reizen stehen. Der Erfolg muß dem Tier vorher völlig unbekannt sein, wie die Fehl-Leistungen beweisen, die unter naturwidrigen Bedingungen auftreten (man denke an unser letztes Beispiel), und doch wird auf den Erfolg hingearbeitet, die Hand¬ lung erst abgeschlossen, wenn der Erfolg erreicht ist, sofern die Be¬ dingungen dies gestatten: Das Huhn hört auf zu picken, wenn es satt ist, das Eichhörnchen zu scharren, wenn die Nuß vergraben ist. Man kann unser Beispiel mit seiner Fehl-Leistung nicht als Gegen¬ beweis anführen und etwa sagen: das Eichhörnchen macht, ganz un¬ bekümmert um den Erfolg eine Reihe von ein für alle Male festge- ]egten Bewegungen, und hört auf, sobald diese Reihe abgelaufen ist. Das wäre eine unberechtigte Verallgemeinerung aus dem Fall des Verhaltens in unnatürlicher Umgebung auf das natürliche Verhalten. Im Zimmer kann die Nuß nicht verscharrt werden, der Erfolg ist nicht möglich, im Freien aber führt ganz sicher nicht eine und die¬ selbe Reihe von Bewegungen immer zum Erfolg, vielmehr muß es von der Beschaffenheit des Bodens abhängen, wie das Eichhörnchen scharren muß, es muß in festem Boden anders scharren als in lockerem, im trockenen anders als im feuchten usw. Schließlich handelt es sich bei den betrachteten Handlungen nicht um einfache Bewegungen, sondern um große Bewegungs-Kom- plexe. Wie viele und mannigfache Bewegungen sind zum Nest-Bau erforderlich; diese Bewegungen sind der Umgebung in dem Sinne angepaßt, wie wir es oben beim Saugen besprochen haben. Solche Handlungen, deren vollkommenste Ausprägung man bei den Insekten findet, nennt man, wie schon gesagt, Instinkt-Handlungen. Man muß sich davor hüten, in diesem Namen schon eine Erklärung zu sehen. Allzuleicht glaubt man einer wirklichen Erklärung entgehen](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b29818965_0077.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)