Lehrbuch der gynäkologischen Diagnostik / von Georg Winter ; unter Mitarbeit von Carl Ruge.
- Georg Winter
- Date:
- 1897
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Credit: Lehrbuch der gynäkologischen Diagnostik / von Georg Winter ; unter Mitarbeit von Carl Ruge. Source: Wellcome Collection.
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![sprechend der Stellung des Untersuchungslagers wählen müssen; es ist deshalb nothwendig, dass man beide Hände in gleicher Weise übt. Für die Palpation der Adnexe ist die gleichnamige Hand am geeignetsten, weil sie sich am besten nach der betreffenden Seite des Beckens herüberkrümmen lässt; dennoch halte ich es für richtiger, auch die rechte Beckenseite mit der linken Hand zu unter- suchen, weil es den Wechsel der Hand erspart; namentlich wenn man sich auf die linke Seite der Kranken stellt, gelingt dies recht vollkommen. Ein oder zwei j]iii odei* zwbI Fliiger ? Die Untersuchung mit dem Zeigefinger allein Fmger.^ ist für dlc Kranke zweifellos angenehmer, weil sie den Introitus weniger dehnt. Zwei Finger geben aber ein wesentlich ausgiebigeres Untersuchungsresultat als ein Finger. Durch den Zuwachs an Länge um den überstehenden Theil des dritten Fingers kann man viel höher hinaufreichen, und die palpirende Fläche der Finger wird vergrössert. Man kann ferner durch Spreizen der beiden Finger gleichzeitig an zwei verschiedenen Stellen untersuchen, man kann körperliche Dimensionen schätzen, vergleichen, Fluktuation prüfen. Durch alle diese Vor- theile wird die Palpationsdiagnose, welche man mit zwei Fingern stellt, eine viel sichere. Ich habe eine grosse Zahl diagnostischer Irrthümer durch die Benutzung nur eines Fingers entstehen sehen. Die Untersuchung mit zwei Fingern kann auch bei Nulliparen so schonend gemacht werden, dass sie die- selbe nicht fühlen; nur bei intaktem Hymen, bei engem und schmerzhaftem Introitus benutze ich einen Finger. Unnachgiebig- j)[g Uiiuachgielbigkeit der Baiiehdeckeii ist ein Hinderniss für die decken. Palpatlou, dosscu Überwindung Geschick und Ruhe von Seiten der Kranken und eine grosse Geduld von Seiten des Arztes verlangt. In selteneren Fällen ist starke Fettansammlung oder Odem, Contraction der Muskulatur oder starke Spannung der Bauchdecken bei grossen Tumoren und bei Ascites schuld daran. Viel häufiger liegt die Schwierigkeit in dem Unvermögen der Kranken, die Bauchdecken erschlaffen zu lassen. Die Kranken sind nicht im Stande, die Bauchdecken zu entspannen, weil Ang*st und Aufregung, Scheu, Furcht vor Schmerz ihnen die hierzu nöthige Ruhe nimmt. Die psychische Beruhigung der Kranken beseitigt am besten dies Hinderniss; je ruhiger, milder und be- sänftigender der Arzt ist, um so ruhiger wird die Kranke; jeder Tadel macht es nur noch schlechter, jeder Zuspruch, jedes Lob beruhigt. Viele Kranke ver- stehen es gar nicht, die Bauchdecken zu entspannen; in der Absicht, die Bauch- decken lose zu lassen, spannen sie dieselben immer mehr. Man kommt am besten zum Ziel, wenn man die Kranken nach Zählen gleichmässig bei weit offenem Munde respiriren lässt. Eine lokale Beruhigung der Muskulatur kann man wohl durch Auflegen der Hand oder durch streichende Bewegungen er- zielen, oder man sucht durch massirende Bewegungen allmählich in die Tiefe zu dringen. Leichter überwindet man die Spannung, wenn man mit jeder Ex- spiration die äussere Hand etwas tiefer eindrückt und bei der nächsten In- spiration festhält, was man erreicht hat. Auf diese Weise kommt man allmählich an den Uterus. Trotz aller Bemühungen wird es häufig genug vorkommen.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21084737_0022.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)