Lehrbuch der psychiatrie auf klinischer grundlage für praktische ärzte und studirende / von dr. R. v. Krafft-Ebing.
- Richard von Krafft-Ebing
- Date:
- 1890
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Credit: Lehrbuch der psychiatrie auf klinischer grundlage für praktische ärzte und studirende / von dr. R. v. Krafft-Ebing. Source: Wellcome Collection.
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![Capitel 3. Physiologische Vorbemerkungen'). Die Hirnrinde ist, wie im vorigen Capitel besprochen wurde, histo- logisch durch grossen Eeichthum an Ganglienzellen ausgezeichnet. Da überall, wo im Centralnervensystem eigenartige Funktionsleistungen aus- gelöst werden, eine Anhäufung grauer, an Ganglienzellen reicher Substanz zu finden ist, war die graue Hirnrinde schon längst Gegenstand der Forschung und auch der Speculation. Bis auf die neuere Zeit galt die Annahme, dass die verschiedenen Abschnitte der Hirnrinde einander funk- tionell gleichwerthig seien und einander ersetzen könnten. Mit dieser von Flourens, [Vulpian, Schiff u. A. vertretenen An- schauung stimmte nicht der Broca'sche Nachweis von der Lokalisation des Sprachvermögens an einer bestimmten Stelle der Gehirnrinde. Aber auch morphologische Unterschiede des Baues derselben (Meynert) deuteten auf eine regionär funktionelle Differenz der Leistung lün. So fand schon Betz 1874 (Centralbl. f. d. med. Wissenschaft p. 578) analog den Formunterschieden der physiologisch jedenfalls höchst diffe- renten Ganglienzellen der Vorder- und Hinterhörner des Rückenmarks auffällig grosse Ganglienzellen („Riesenzellen) in der Rinde des Stirn- hirns, kleine, mehr denen der Hinterhörner des Rückenmarks entsprechende in der des Scheitel- und Hinterhauptslappens. Die Betz'schen Riesenzellen sind überdies im Gehirn der kleinen Kinder höchst spärlich zu finden und entwickeln sich massig erst im Verlauf der Ausbildung des Gehirns. Interessant ist ferner Soltmann's Entdeckung (Jahrb. f. Kinderkrankheiten N. F. IX), wonach (he Rinden- felder, in welchen diese Zellen vorzugsweise vorkommen, bei ganz jungen Thieren experimentell sich noch unerregbar erweisen und erst später im Sinne ihrer specifischen Funktion (s. u.) erregbar werden. Für eine funktionelle Ungleichartigkeit der Hirnrinde sprach endlich der Umstand, dass die Bahnen der willkürlichen Muskelinnervation ihren Ausgangspunkt im Stirnhirn, die sensorischen Bahnen ihre Endigung ausschliesslich im Hinterhauptshirn und in angrenzenden Bezirken des Scheitelhirns finden. Den epochemachenden experimentellen Forschungen von Fritsch, Hitzig, Ferrier, Munk u. A. an Thieren, womit zahlreiche pathologische Befunde am Menschengehirn in Einklang stehen, ist es zu danken, dass ]) Exner, Hermann's Handb. der Physiol. Bd. II, Thl. II, p. 192; Munk, Grad, Eulenburg's Realencyklopädie 2. Aufl., Art. Gehirn; Hitzig, Untersuchungen über das Gehirn. Berlin 1874; Ferrier, Die Funktionen des Gehirns, übers, von Obersteiner 1879; Munk, Ueber die Funktionen der Gehirnrinde. Berlin 1881.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21017207_0024.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)