Grundriss der Desinfectionslehre : zum praktischen Gebrauch auf kritischer und experimenteller Grundlage bearb.

  • Albrecht Ludwig Agathon Wernicke
Date:
1880
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Credit: Grundriss der Desinfectionslehre : zum praktischen Gebrauch auf kritischer und experimenteller Grundlage bearb. Source: Wellcome Collection.

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    Annahme einer beigemischten, die Luft vergiftenden Materie, die sich transportiren, abscheiden, zerstören lässt, scheint unver- meidlich. So entstand das Miasma, d. h. das Verunreinigende, als ein Begriff, und wenig mehr als ein Begriff ist es bis auf unsere Tage geblieben: denn noch hat es sich durch kein Hilfsmittel unseren Sinnen wahrnehmbar darstellen lassen, noch weiss man nicht, in welches der Naturreiche, ja ob es über- haupt in eines derselben gehört, und man dürfte eben von diesem Wesen nichts weiter aussagen, ohne die empirische Basis gänz- lich aufzugeben, wenn es nicht in gewissen Eigenschaften und Wirkungen übereinkäme und dadurch sich identisch zeigte (!) „mit anderen krankheiterzeugenden Potenzen, die allerdings an palpable Stoffe gebunden, der sinnlichen Wahrnehmung zu- gänglich , zum Theil auch schon sinnlich nachgewiesen sind, ich meine die Contagien. — Dreizehn Jahre später haben sich diese kritischen Vorstellungen beiHenle in der Weise weiter entwickelt, dass er sich so ausdrückt (Handbuch der rationellen Pathologie. III., p. 458): „Soll nun dies Miasma näher charak- terisirt werden, so ist zunächst der Unterschied hervorzuheben, welcher zwischen dem Miasma der endemischen und epidemi- schen Krankheiten besteht. Das erste ist an ein Local gebunden, die Stelle, auf welcher es sich erzeugt, mitunter sehr scharf gegen unschädliche Stellen abgegrenzt. „Die Ursache (das Miasma) wandernder seuchenartiger Krankheiten kann man, wenn man sich bei dem gegenwärtigen Standpunkt unseres physikalisch-chemischen Wissens überhaupt zu einem Urtheil berechtigt glaubt, für nichts anderes , als für einen chemisch differenten und isolirbaren Bestandtheil der Atmosphäre halten. Die Auffassung der „Contagien bot scheinbar geringere Schwierigkeiten dar, so dass bei der Wiedergabe der älteren Auffassungen wörtliche Citate überflüssig erscheinen. Es war^ wie man annahm, immer nur das Product eines wirklichen Krankheitsprocesses und erzeugte immer nur denselben wieder, dem es seine Entstehung verdankte. Hufeland's- Contagium mortuum war mit Miasma gleichbedeutend; sein Contagium vivum umfasste sowohl das Contagium im engeren Sinne, als „die animalische Luftinfection, die „fluch- tigen Contagien, wie man sich ausdrückte. Der Gedanke, dass die Contagien eine den Organismen ähnliche Entstehungs- weise durch Wiedererzeugung und Fortpflanzung haben, tritt schon ziemlich früh auf. Eine Eintheilung in Contagia per- manentia und temporaria, Unterscheidungen eines Contagium necessarium, originarium, accidentale und secundarium sollten dazu helfen, die Schwierigkeiten der verschiedenen Ansteckungs- arten aus dem Wege zu räumen. Den ersten Ursprung der bleibenden Contagien dachten sich die Gegner der Generatio spontanea in dasselbe Dunkel gehüllt, welches die Entstehung aller sich durch wahre Fortpflanzung erhaltenden Gattungen Wer ii ich, Desinfectionslehre. 2