Volume 9
Lehrbuch und Atlas der Histologie und mikroskopischen Anatomie des Menschen / von J. Sobotta.
- Johannes Sobotta
- Date:
- 1929
Licence: In copyright
Credit: Lehrbuch und Atlas der Histologie und mikroskopischen Anatomie des Menschen / von J. Sobotta. Source: Wellcome Collection.
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![Honen Erythrocyten in 1 ccm des Blutes beim Manne, 4,5 Millionen beim Weibe. Wie Tab. 10, Fig. 1,2 alle korpuskularen Elemente des Blutes „schwimmen“ sie in der Blutflüssigkeit und werden Tab. 11, Fig. 1.2 mit dem Blutstrome fortbewegt. Sie kommen nur bei Wirbeltieren vor]) (nur diese haben daher rotes Blut), erscheinen aber in den verschiedenen Wirbeltierordnungen, selbst den ver- schiedenen Gattungen, in sehr unterschiedlicher Zahl, Größe und Gestalt. Wir sprechen zu- nächst nur von denen des Menschen; bei ihm handelt es sich (wie bei allen Säugetieren) um kernlose Zellen, die aber insofern echte zelluläre Elemente sind, als sie aus kernhaltigen Vor- stufen hervorgehen (durch Kernverlust — s. u.). Es sind Zellen sehr labiler Natur, solche von sehr kurzer Lebensdauer, Zellen, die nur eine einzige spezifisch physiologische Funktion ausüben (die Sauerstoff auf nähme bei der Atmung). Beim Menschen sind die Erythrocyten scheibenförmige Gebilde; sie erscheinen im Mi- kroskop gelblich-grünlich (also keineswegs rot!), sind ganz glattrandig, besitzen überhaupt eine ganz glatte Oberfläche, auch deutlich abgerundete Kanten. Die beiden Flächen der Scheibe sind durchaus gleichartig, und zwar sind sie beide eingedellt, d. h. sie tragen eine zentrale, ziemlich große aber sehr flache Vertiefung. Diese Form des Erythrocyten beein- flußt seine Erscheinung unter dem Mikroskope in folgender Weise. In der Flächenansicht erscheint das rote Blutkörperchen kreisrund mit einer zentralen, unscharfen, mittleren, dun- kel erscheinenden Partie der Delle* 2). Betrachtet man das rote Blutkörperchen des Menschen aber im Profil3), so ergibt sich das Bild der „Bisquitform“. Die Erythrocyten des Men- schen sind eben bikonkave Scheiben. Was die Größe der menschlichen Erythrocyten an- langt, so sind sie meist gleich groß; zum mindesten 75(—80)o/0 haben einen Durchmesser von 7,5 y. Neben diesen „Normocyten“ kommen aber auch — und zwar ziemlich gleich häufig — Erythrocyten vor, die kleiner oder solche, die größer sind. Die letzteren nennt man auch Megalocyten; sie messen 8,8 y; die kleinen Formen, Mikrocyten genannt, sind nur 6 y groß. Noch größere oder noch kleinere Formen sind selten (pathologisch oder artifiziell?). Die Dicke des (dicken) Bandes schwankt zwischen 2,3 und 2,8 y, die dünnste Stelle der Delle mißt nur etwa 1,5 y. Es ist sehr fraglich, ob die Größe der Erythrocyten eine schwankende sein kann, ob unter veränderten Bedingungen deren Größe hei ein und demselben Individuum sich ändert, ob äußere Einflüsse wie Hunger usw. auf die Größe der roten Blutkörperchen einwirken; wahrscheinlich ist das nicht der Fall. Eine weitere Frage ist die, ob gewisse Abweichungen der Form der Erythrocyten von der der bikonkaven Scheibe normal sind oder nicht. Mehrere unten zu erwähnende Formveränderungen der roten Blutkörperchen sind typische Artefakte. Viel- leicht gilt das auch für die sog. Glocken - (Napf-) Form des Erythrocyten, die von einigen Seilen sogar für die normale angesehen wurde; sie tritt selten im frischen Blutpräparat auf, häufiger im fixierten (nament- lich bei Anwendung von Osmiumsäure); die roten Blutkörperchen haben dann die Form von (konkav-konvexen) Näpfen. Es gibt keine Zellen des menschlichen Körpers (von den männlichen Geschlechtszellen, den Spermien abgesehen), die sich so leicht im frischen (lebenden bzw. überlebenden) Zu- stande untersuchen lassen, wie die Zellen des Blutes. Denn die Untersuchung geschieht hier in einem nicht bloß völlig indifferenten Medium, sondern in dem gleichen, in dem die Zellen Tab. 10,Fig. 1,2 auch innerhalb des Körpers liegen, im Blutplasma selbst4). In diesem erscheinen die Ery- throcyten unter den oben angegebenen Maßen, der beschriebenen Gestalt, der geschilderten Farbe; sonst aber sieht das rote Blutkörperchen unter dem Mikroskope absolut strukturlos x) Die niedersten Wirbeltiere (Amphioxus) haben auch noch keine Erythrocyten. 2) Das Bild kehrt sich hei tieferer Einstellung auf das rote Blutkörperchen um; dann wird der Rand ver- waschen (und etwas dunkler) und die Mitte (Delle) hell. 3) Die Profilansicht erscheint selbst in dünner Blutschicht unter dem Mikroskop spontan, wenn auch sel- tener als die Flächenansicht (s. a. u.). 4) Natürlich muß man Sorge tragen, daß das Blutplasma nicht verdunstet; sonst wird es hypertonisch und erzeugt starke Veränderungen der Form des Erythrocyten (s. u.).](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b29821708_0009_0111.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)