Über Entzündung und Eiterung / Julius Cohnheim ; eingeleitet von Rudolf Beneke.
- Julius Friedrich Cohnheim
- Date:
- 1914
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Credit: Über Entzündung und Eiterung / Julius Cohnheim ; eingeleitet von Rudolf Beneke. Source: Wellcome Collection.
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![imstande sind, aus sich heraus neue farblose Elemente zu erzeugen, oder, mit anderen Worten ausgedrückt, ob jemals, im normalen und im entzündeten Zustande, mehr farblose Blut- körperchen in den Geweben auftreten können, als aus den Ge- fäßen ausgewandert sind. Diese Frage mit voller Sicherheit zu entscheiden, das bin ich, wie ich bereitwillig zugebe, nicht imstande, ganz unzweifelhaft ist die Emigration nur festgestellt für diejenigen Zellen in der Keratitis, welche, nach der In jektion von Anilinblau ins Blut, Farbstoffkörnchen enthalten, und dies war doch nur ein Bruchteil der ganzen Menge. Aber auf der einen Seite muß man sich erinnern, daß der ganze Vorgang der Emigration nicht etwa ein spärlicher und ver- einzelter ist, sondern daß, wie wir gesehen haben, unzählige Mengen von Körperchen die Gefäße verlassen, Mengen, die an sich völlig ausreichen, das Gesamtresultat, die Endprodukte des entzündlichen Prozesses zu liefern. Und im Gegensätze dazu muß ich jetzt aufs nachdrücklichste betonen, worauf ich schon oben andeutungsweise hingewiesen, daß der ganze Vorgang der Teilung von Eiterkörperchen und der daraus hervorgehenden Neubildung derselben nur ein hypothetischer, nicht ein be- wiesener ist. Noch niemand hat, selbst wenn er lebende Eiter- körperchen unter den allergünstigsten Verhältnissen viele Stun- den lang beobachtet hat, aus einem Eiterkörperchen zwei oder mehrere entstehen sehen; und auch mir selbst, der ich doch gewiß an einem zweckmäßigen Orte und unter zweckmäßigen Bedingungen, am bloßgelegten Mesenterium untersucht habe, ist niemals auch nur eine Andeutung eines derartigen Herganges zu Gesichte gekommen; mögen die Formveränderungen noch so lebhaft sein, so kann daraus wohl eine sehr ausgiebige Loko- motion resultieren, das Eiterkörperchen bleibt aber immer eines und ungeteilt. Denn es genügt natürlich nicht, daß man ein- mal während die Formveränderungen ein Partikelchen vom Zell- körper sich abschnüren, auch wohl weiterhin eigene Kontrak- tilitätsvorgänge an diesem auftreten sieht, man muß es vielmehr bis zu der Größe eines Eiterkörperchens wachsen sehen, und vor allem auch Kerne in ihm nach weisen können; und das ist noch von keinem ge[73]schehen. Danach soll also die Möglichkeit, daß an jedem beliebigen Orte aus alten weißen Blutkörperchen neue entstehen können, nicht geleugnet werden, aber wissen- schaftlich sichergestellt ist dieser Vorgang bisher nicht, und wir müssen daher, wie mir scheint, unser Urteil vorläufig dahin](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b29007793_0082.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)