Über Entzündung und Eiterung / Julius Cohnheim ; eingeleitet von Rudolf Beneke.
- Julius Friedrich Cohnheim
- Date:
- 1914
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Credit: Über Entzündung und Eiterung / Julius Cohnheim ; eingeleitet von Rudolf Beneke. Source: Wellcome Collection.
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![entzündlichen Vorgänge werden. Als zweites Postulat für das Zustandekommen eitriger Prozesse hat sich die Anwesenheit von Hohlräumen ergeben, welche eine Fortbewegung und eine Anhäufung der farblosen Blutzellen gestatten. Da nun doch nur sehr wenige Blutgefäße direkt an die größeren Höhlen des Körpers grenzen, so muß hier vor allem ein Gewebe in Betracht kommen, das kanälchenartige, dilatierbare Räume enthält, und dies ist das Bindegewebe. Darin liegt der Grund, warum nach wie vor die Eiterung an das Bindegewebe geknüpft bleibt, und zwar an alles Bindegewebe, soweit es derartige Kanäle darin gibt. Man kennt aber unter den Geweben der Bindesubstanz nur eines, indem solche Räume nicht vorhanden sind, nämlich den Knorpel. Die Knorpelhöhlen sind abgeschlossen, sie kommunizieren nicht mit ein- ander, und im Knorpel mit der festen und unnachgiebigen, dabei nicht unterbrochenen Interzellularsubstanz können Lymphkörper- chen daher nicht wandern. Aber im Knorpel hat auch noch niemand eine wirkliche Eiterung beobachtet. Wenn man durch den Bulbus des Frosches einen Faden hindurchzieht und ihn sechs, sieben Tage lang liegen läßt, so ist nach dieser Zeit das ganze Auge vereitert, nur in der doch zweimal durchstochenen, knorpligen Sklera kommt, wie bereits oben erwähnt, niemals ein Eiterkörperchen zum Vorschein, sie bleibt ganz unverändert; und wenn man durch den Knorpelüberzug der Kondylen des Femur oder der Tibia vom Kaninchen einen Faden hindurch- legt, so entsteht bald die heftigste, eitrige Kniegelenkentzündung, welche vielleicht selbst den Tod des Tieres nach sich ziehen kann, niemals aber sieht man im Knorpel, außer der direkten Zer- störung durch Nadel und Faden und außer einer äußerst schmalen körnigen Zone dicht um die Wunde, irgend eine Veränderung, niemals, selbst nach fünf, sechs Tagen auch nur ein einziges Eiterkörperchen im Gewebe desselben. Selbstverständlich leugne ich [76] nicht, daß auch der Knorpel Veränderungen erfahren kann; sieht man doch im Laufe mannigfacher Prozesse die er- heblichsten Störungen in ihm sich entwickeln, aber diese Störungen haben nichts zu tun mit entzündlichen Vorgängen der Art, wie sie uns hier beschäftigen, die Produkte dieser Veränderungen sind nicht kontraktile Elemente, also keine, die den Eiterkörperchen könnten gleichgestellt werden. Alles übrige Bindegewebe aber führt, wie bekannt, kanälchenartige Hohl- räume, dasselbe ist mithin das eigentliche Terrain der Eiterung, und so erklärt es sich denn auch, daß die eitrigen Prozesse Klassiker der Medizin: Cobnhoim. 6](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b29007793_0085.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)