Über Entzündung und Eiterung / Julius Cohnheim ; eingeleitet von Rudolf Beneke.
- Julius Friedrich Cohnheim
- Date:
- 1914
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Credit: Über Entzündung und Eiterung / Julius Cohnheim ; eingeleitet von Rudolf Beneke. Source: Wellcome Collection.
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![in den zusammengesetzten Organen ihren Ablauf im interstitiellen Gewebe nehmen. Allerdings halte ich mich nun noch weit davon entfernt, etwa eine neue Theorie der Entzündung aufstellen zu können. Schon in der obigen Darstellung habe ich ausdrücklich betont, daß ich gleich die ersten Vorgänge an den Gefäßen, die Dilatation derselben, nicht ohne Zuhilfenahme unbewiesener Hypothesen deuten könne. Eine andere, erhebliche Schwierigkeit liegt darin, wie zu erklären, daß nicht aus Venen, die in Folge einer Stauung dilatiert sind, die Körperchen auswandern; wie- wohl der Unterschied zwischen dem zwar mit verringerter Geschwindigkeit, aber doch kontinuierlich fließenden Blutstrom der Gefäße eines entzündeten Organs und jenem in einer ge- stauten Vene auf der Hand liegt. Und am wenigsten bin ich im Stande, eine Erklärung dafür zu geben, warum die aus- getretenen Blutkörperchen sich immer an die Stelle des Reizes hinbegeben; wiewohl auch hierfür das Beispiel der verwundeten Hornhaut uns die Notwendigkeit des Individualisierens gezeigt hat. Alle diese und ähnliche Fragen können natürlich nicht durch einfache theoretische Erwägungen, sondern nur auf Grund experimenteller Prüfung einer Erledigung entgegengeführt werden, aber es ist, glaube ich, doch schon ein Gewinn, daß es möglich geworden, die Fragen zu präzisieren. Überdies aber ergeben sich aus den in diesem Aufsatze niedergelegten Tat- sachen einige Folgerungen und Schlüsse, welche, wie ich hoffe, dem Arzte und Anatomen nicht unwillkommen sein werden. Vor allem, was ich schon mehrfach hervorgehoben, hat die für die klinische Beobachtung so auffällige Initialhyperämie ihre sichere Begründung gefunden. Weiterhin erklärt sich jetzt ohne Schwierigkeit die tägliche Beobachtung, daß eine bereits eingeleitete Entzündung ohne alle Schädigung der In[77]tegrität des betroffenen Teiles wieder rückgängig werden kann; man sieht die schon getrübte Cornea sich vollständig wieder auf- hellen, eine bereits schmerzhaft intumeszierte, lebhaft gerötete Stelle der Haut und des Unterhautgewebes wieder erblassen und vollständig wieder abschwellen: was ist jetzt einfacher, als die Deutung, daß ebenso wie das transsudierte Plasma wieder resorbiert wird, so auch die aus den Gefäßen herbeigewanderten Lymphkörperchen den Platz wieder verlassen, sich in die Nachbar- schaft und die Lymphgefäße „verteilen“ und so das noch nicht passiv wesentlich geschädigte Gewebe unverändert zurück-](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b29007793_0086.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)