Lehrbuch der gerichtlichen Psychopathologie : mit Berücksichtigung der Gesetzgebung von Österreich, Frankreich und Deutschland / von R. von Krafft-Ebing.
- Krafft-Ebing, R. von (Richard), 1840-1902.
- Date:
- 1900
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Credit: Lehrbuch der gerichtlichen Psychopathologie : mit Berücksichtigung der Gesetzgebung von Österreich, Frankreich und Deutschland / von R. von Krafft-Ebing. Source: Wellcome Collection.
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![tudinibus a capite usque ad pedes. Pavia 1486). Anton Gruarnerius: Opus praeclarum ad ]>raxiu medicam. Lugdun. 1584. Porta (de humana physiognomia). Sie sind die Vorläufer Wier's, der in seinem denkwürdigen Werk „de praestigiis daemonum 1517 den Beweis lieferte, dass die Hexen grösstentheils nur Wahnsinnige und Hysterische seien, und Kaiser und Reich bat, das unschuldige Blut dieser ver- meintlichen Hexen zu schonen. Bis tief in das 18. Jahrhundert hinein befindet sich indessen das Strafrecht noch ohne feste leitende Grundsätze, sind Strafprocess und Strafmittel noch unter der Barbarei mittelalterlicher Institutionen (Folter). Auch die medicinisch-psycho- logischen AVissenschaften sind noch nicht soweit vorgeschritten, um Grund legend für die Neubegründung der Rechtswissenschaft wirken, ja nur ihr Recht geltend machen zu können, in Fragen zweifelhafter Geistesintegrität gehört zu werden. Diese Berech- tigung nachzuweisen bemüht sich J. Z. Platner in seinem „programma quo osten- ditur medicos de insanis et furiosis audiendos esse. 1740. Sein Sohn Ernst Platner fasst die bisherigen Resultate der Wissenschaft in seinen Quaest. medico-fofenses zusammen. Auch die Rechtswissenschaft fühlt endlich das Bedürfniss einer Verinnerlichung und Begründung ihres Wirkens auf philosophischen Grundsätzen (Strafrechtsphilo- sophie). Einen gewaltigen Impuls nach der humanen Seite geben die Bestrebungen eines Beccaria, Filangieri, Voltaire u. A., deren Ziel die Zurgeltungbringung der allgemeinen Menschenrechte, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Abschaffung der Leib- eigenschaft, die Aufstellung humaner Strafzwecke (Besserung anstatt einer abge- schmackten Abschrecknngstheorie), die Humanisirung des Strafverfahrens (Abschaf- fung der Tortur) und der Strafmittel ist. Die humanen Bestrebungen eines Beccaria finden Anerkennung nicht nur bei der Wissenschaft, sondern auch bei den Gewalthabern. Ein Friedrich der Grosse verbannt die Tortur aus seinen Staaten, ein Kaiser Josef IL die Todesstrafe; allent- halben fallen die entwürdigenden Fesseln der Leibeigenschaft. Eine Neugestaltung des Strafrechts auf wissenschaftlichen, zum Theil der Kant'schen Philosophie entlehnten Principien (Theorie des psychologischen Zwangs) versucht Feuerbach, dessen Grundsätze in einer Reihe von das gemeine Recht (CCC) immer mehr verdrängenden Particulargesetzgebungen Eingang finden. Mit der Begründung des Strafrechts auf psychologischer Grundlage ist auch der medicinischen Psychologie ein mächtiger Impuls zur Geltendmachung ihrer Er- fahrungen und zur Erweiterung ihrer Kenntnisse gegeben, während die fast gleichzeitige Reform des Irrenwesens durch Errichtung von Irrenhäusern (St. Lukes in London, Bonifacio in Florenz), durch Entfernung der Ketten (Pinel), durch Chiarugi's Werk über Irrenheilkunde (della pazzia in genere ed in ispecie. Firenze 1793) eine mäch- tige Förderung erfährt. Der zu Anfang des Jahrhunderts noch unvollkommene Ausbau der medicinischen Psychologie und Psychiatrie führt anfangs zu unbefriedigenden Resultaten und ein- seitig philosophischer spekulativer Betrachtungsweise. Die Unklarheit, in welcher man sich über das Wesen der Seelenkrankheiten befindet, führt sogar zu Competenzstreitigkeiten (Kant), ob der philosophischen oder medicinischen Fakultät die Beurtheilung geistig unfreier Zustände zukomme und das mühsam für die medicinische errungene Recht wird noch bis in die 30er Jahre dieses Jahrhunderts (Regnault, das Urtheil der Aerzte, übers, von Bourel, Cöln 1830) bestritten. Die in der Annahme isolirter Seelenvermögen befangene, grösstentheils speku- lative Psychologie leistet manchen Irrthümern (Monomanien, partieller Wahnsinn)](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21062420_0028.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)