Zur Symptomatologie und Therapie der Basedowschen Krankheit : Vortrag in der Gesellschaft für Heilkunde am 15. November 1888 / von Prof. Eulenburg.
- Eulenburg, Albert, 1840-1917.
- Date:
- 1889
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Credit: Zur Symptomatologie und Therapie der Basedowschen Krankheit : Vortrag in der Gesellschaft für Heilkunde am 15. November 1888 / von Prof. Eulenburg. Source: Wellcome Collection.
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![mit den vermeintlichen Localisationen in Sympathicus, Halsmark oder Med. oblong, zu schaffen hat. — Die Strumatheorien endlich haben, wie schon früher zu dem ganz verwerflichen internen Jodgebrauche, so neuerdings mehr und mehr zu localer Inangriffnahme der Struma durch Injectionen, Elektrolyse, endlich auch durch operative Eingriffe in Form localer und par- tieller Excisionen Anlass gegeben. Ich selbst habe sowohl intra- strumöse Injectionen von Jodlösungen, Ergotin, Scle- rotinsäure, Osmiumsäure u. s. w., wie auch die Elektrolyse (Galvanopunctur) schon vor Jahren vielfach und mit grosser Ausdauer geübt, aber doch im Ganzen nur verhältnissmässig ge- ringe, auf andere Weise bequemer und schmerzloser herzustellende Resultate dabei gesehen. Anderen scheint es nicht besser ergangen zu sein, da von Erfolgen der intrastrumösen Injectionen und der Elektrolyse gerade bei Basedow’scher Struma kaum etwas verlautet. In den letzten Jahren sollen durch totale [Rehn *)] oder partielle Strum- ectomien [J. Wolff2)] einzelne Erfolge erzielt worden sein. — Wolff will auch eine gewisse Rückbildung des zurückgelassenen Strumarestes nach partieller Excision in 2 Fällen constatirt haben. Doch sind die bezüglichen casuistischen Mittheilungen zu kurz und zu unbestimmt, überdies viel zu klein an Zahl, um ein sicheres Urtheil über den Werth derartiger Operationen bei Basedow’scher Krankheit schon jetzt zu gestatten. Noch mehr stehen wir frei- lich den vereinzelten Erfolgen rhinochirurgischer Behand- lung [Hack 3), B. Fränkel 4 5)] mit staunender Ratlosigkeit gegenüber. (Schluss folgt.) VI. Wider die Nephrectomie bei Wanderniere. Von Dr. W. Hager in Wandsbek. Es giebt wohl in der gesammten Medicin zur Zeit kein Ge- biet, auf welchem die Meinungen der Autoren so weit auseinander- gehen, wie auf demjenigen der Pathologie und Therapie der be- weglichen Niere. Diese Thatsache findet hauptsächlich darin ihre Erklärung, dass das klinische Bild der Wanderniere ein so ausserordentlich wechselvolles ist. Während derselbe Grad von Nierendislocation bei der einen Frau fast ohne jede Beschwerde ertragen wird, ruft er unerklärlicher Weise bei der anderen die schmerzhaftesten und bedrohlichsten Erscheinungen hervor. Noch weiter als über die Pathologie weichen die Anschauungen über die Therapie der Wanderniere von einander ab. Während Keppler •’) die einzig mögliche Heilung der Wanderniere in der Exstirpation derselben sah, verwerfen Landau 6) und Andere jeden operativen Eingriff. Für die gewöhnlichen Fälle von Wanderniere wird von den meisten Autoren die Bandagen- behandlung empfohlen. Ich habe dieselbe in 22 Fällen, wo ich sie angewendet habe, nur in B Fällen erprobt gefunden. In diesen 3 Fällen war ein starker Hängebauch vorhanden, und erzielte hier die Anlegung einer Leibbinde, ebenso wie in einem exquisiten Falle von Wanderleber einen vollen Erfolg. In allen übrigen Fällen, unter denen sich 5 Nullipare befanden, wurden die Binden von den Patientinnen sehr bald wieder als nutzlos, ja beschwerlich bei Seite gelegt. Mit der Zeit, besonders unter sorgfältiger Regelung des Stuhlgangs, besserten sich die Beschwerden oder die Patientinnen lernten sich daran gewöhnen. 1) Berliner klinische Wochenschrift, 1884, 11. 2) Ibid., 1887, No. 27. 3) Deutsche medicinische Wochenschrift, 1886, No. 25. 4) Berliner klinische Wochenschrift, 1888. 5) Langenbeck’s Archiv, XXIII. 6) Die Wanderniere der Frauen, Berlin 1881. Nun giebt es aber, wenn auch selten, bedrohliche Fälle von Wanderniere, welche entschieden einen operativen Eingriff indi- ciren. Bei der Wahl der Operation stehen sich bekanntlich zwei Methoden gegenüber, die von Keppler zuerst empfohlene Ne- phrectomie, welche nach der neuesten Statistik l) in 36 Fällen und die Nephroraphie nach Hahn, die nach derselben Statistik bisher in 29 Fällen ausgeführt wurde. Die Prüfung der Leistungs- fähigkeit beider Operationen lässt Lindner zu dem Schluss kommen, dass er „lieber künftig das Risico der Nephrectomie auf sich nehmen will, als seinen Patienten eine immerhin auch nicht ganz ungefährliche Operation (nämlich ,die Nephroraphie) proponiren, deren Erfolge so zweifelhaft sind, wie es diej bis- herigen Erfahrungen ausweisen“ (S. 47). Er meint ferner (S. 46), „dass mit der gelungenen und gut überstandenen Operation bei der Nephrectomie wohl ausnahmslos die Patienten von ihren Beschwerden befreit sind.“ Für die Entscheidung dieser sehr wichtigen Frage, ob die Nephrectomie in der That die absolut leistungsfähigere Operation ist und wenn sie gelungen, stets zur Heilung führt, dürfte die Miitheilung folgenden Falles von wesentlicher Bedeutung sein. Fräulein Th., 22 Jahre alt, war bis zum Jahre 1886, abgesehen von den gewöhnlichen Kinderkrankheiten stets gesund. Ich kannte sie seit 1883 als ein besonders gesund aussehendes, blühendes Mädchen. Im August 1886 hielt sie sich mit einer Familie, bei welcher sie als Kinderfräulein fungirte, in einem Ostseebade auf und wurde daselbst bei Gelegenheit eines Gesellschaftsspieles mit der rechten Bauchseite gegen ein spitzes Stacket gestossen. Sie verspürte sofort einen heftigen Schmerz der sich aber nach kurzer Zeit wieder legte. Erst Mitte September, als sie schon wieder nach Hamburg zurückgekehrt war, traten krankhafte Erscheinungen auf. Der Appetit wurde schlecht, häufige Uebelkeit, Schwindelgefühl und Mattigkeit. Dazu kam eine zeitweilig auftretende, beträchtliche Kurzathmigkeit, besonders beim Treppensteigen. Wenn sie sich bückte, war es ihr, als ob ein schwerer Gegenstand sie nach vorn zöge. Alle diese Erscheinungen wurden als Symptome von Chlorose gedeutet und China mit Eisen verabreicht. Im December d. J. trat ohne besondere Vorboten ein heftiger Anfall auf. Derselbe begann mit einem heftigen Schmerz in der Magengegend; alsdann wurde der Körper von einer unüberwindlichen Starrheit befallen, die Zunge war ge- lähmt, und der Rücken wurde in kurzen Intervallen in die Höhe geschnellt. Solche Anfälle wiederholten sich 2—3 mal in der Woche und dauerten oft mehrere Stunden. In der anfallsfreien Zeit häufiges Erbrechen, Uebelkeit und Stuhlverstopfung. Hochgradige Anämie und Abmagerung. Urinlassen oft schmerzhaft. Am 10. April 1887 trat ein „furchtbarer Anfall” auf, welcher 4 Stunden anhielt und mit hochgradigster Augst verbunden war. Mehrere Aerzte wurden im Laufe des Tages consultirt, ohne ihr helfen zu können. Am 20. April wurde ich zu der Patientin, welche am Tage vorher zu ihren Eltern zurückgekehrt war, gerufen. Ich fand sie, blass und ab- gemagert, in einem Anfalle liegend, welcher mir im ersten Augenblick den Eindruck eines Tetanus machte. Enorme Dyspnoe und angstvoller Gesichtsausdruck. Die Muskeln der oberen und unteren Extremitäten im Zustande tonischer Starre, Kiefermuskeln frei. In kurzen Intervallen wird der ganze Körper nach hinten gestreckt und die Wirbelsäule zu einem nach vorn convexen Bogen gekrümmt. Patientin schreit häufig auf und klagt über heftige Schmerzen im Epigastrium. Puls etwas beschleun.gt, Tem- peratur nicht erhöht. Dieser Anfall dauerte 2 Stunden, worauf relatives Wohlbefinden eintrat. Am 21. April nahm ich eine genaue Untersuchung vor: Herz und Lungen gesund. Epigastrium auf Druck wenig empfindlich. Die eom- binirte Untersuchung der rechten Weichengegend ergiebt sofort eine Dis- location der rechten Niere. Dieselbe schlüpft bei tiefer Inspiration bis über den Hilus zwischen die palpirenden Hände. Dabei macht die Niere eine deutliche Drehung mit ihrem unteren Pol nach der Magen- gegend hin, so dass sie eine fast dem Rippenbogen parallele Lage ein- nimmt. Druck auf das Organ sehr empfindlich. Linke Niere nicht dis- locirt. Die Untersuchung des Urins ergiebt nichts Abnormes. Temperatur nicht erhöht. Puls 76. Ordination: Ruhige Bettlage. Regelung des Stuhlganges. 27. April. Trotz der Bettlage haben sich die Anfälle wiederholt. Der Bandagist erhält den Auftrag, ein federndes Bruchband mit nierenförmiger Pelotte anzufertigen. 4. Mai. Versuch mit dem erwähnten Bruchband aufzustehen. Anfangs scheint es besser zu gehen, nach mehreren Stunden trat jedoch ein furcht- barer Anfall auf. Die Zeit bis zum 4. Juni ging mit Versuchen hin, der Patientin durch alle möglichen Abänderungen der Bandage Hülfe zu schatfen, aber ohne 1) Lindner, Ueber Wanderniere der Frauen. 1888. Heusers Verlag.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b22325360_0013.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)