Beiträge zur psychologischen Theorie der Geistesstörungen / von Otto Meyerhof.
- Meyerhof, Otto, 1884-1951
- Date:
- 1910
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Credit: Beiträge zur psychologischen Theorie der Geistesstörungen / von Otto Meyerhof. Source: Wellcome Collection.
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![295] daß, wenn sie zur Tür herausginge, ein Kind aus dem Fenster fallen würde, oder eine andere, daß sie mit jedem Manne, mit dem sie im Zimmer allein war, geschlechtlich verkehrt hätte u. s w.^ Endlich ist nirgends eine endogene Umwandlung einer Zwangs- vorstellung in eine echte Wahnvorstellung beobachtet worden, sondern höchstens bemerkt, daß bei interkurrenten Psychosen Zwangskranker der Inhalt einer Zwangsvorstellung in eine Wahn- idee übergehen kann, aber nach Ablauf derselben weiter als Zwangsidee fortbesteht.^ Der „Zwang“ besteht also allgemein nur in dem Auftreten psychischer Phänomene wider Willen des Subjekts, nicht in dem Fürwahrhalten ihrer Inhalte.^ Und das Analoge findet sich beim Zwangsantrieb. In der sogenannten Zwangshandlung ist nur das Auftreten des Antriebs unausweichlich, die Handlung selbst kann, wenn auch oft unter lebhaftem Urdustgefühl, unterlassen werden.^ Danach ist hier ein verständiger Entschluß sehr wohl möglich, indem vernünftige Gegenimpulse den krankhaften Antrieb niederhalten. Erst wenn ' Einen solchen Fall beschreibt u. a. SANDER in der ersten Dislrassion über Zwangsvorstellungen. (Archiv für Psychiatrie, Bd. 8, S. 752). Eine Frau, die als Mädchen glaubte, überall etwas fortgenommen zu haben, redete sich dann ein, mit einem Knecht verkehrt zu haben und während der Ehe mit jedem, mit dem sie im Zimmer allein war. Später glaubte sie den Tod aller verschuldet zu haben, deren Todesanzeige sie in der Zeitung las; sie erkannte dies alles beim Aus- sprechen als Unsinn', konnte sich in Gegenwart anderer völlig beherrschen. Koch, Psychopathische Minderwertigkeiten, S. 97 ff. Vgl. auch hlBRCKLlN, A. Z. f. Ps., Bd. 47, S. 628 ff. (Scheinbar abweichend hiervon TUCZBK, A. Z. f. Ps., Bd. 39, S. 653 ff. und andere ältere Autoren, die aber den Begriff der Zwangs- vorstellungen weiter faßten, als es heute geschieht.) ® Auch Friedmann, der Wahn- und Zwangsvorstellung weitgehend paral- lelisiert und letzterer das subjektive Zwangsgefühl abstreitet, muß doch zugehen, daß eine Zwangshefürchtung eben nur auf der Höhe des Affekts für wahr gilt. ■* Koch, Psych. Minderwertigkeiten, S. 82 ff.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b28067319_0203.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)