Beiträge zur psychologischen Theorie der Geistesstörungen / von Otto Meyerhof.
- Meyerhof, Otto, 1884-1951
- Date:
- 1910
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Credit: Beiträge zur psychologischen Theorie der Geistesstörungen / von Otto Meyerhof. Source: Wellcome Collection.
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![325] in den dem „Interesse“ zu gründe liegenden Gemütsdispositionen vorliegen. Nun beruht alles Interesse an einem Gegenstand auf dem Werte, den ich ihm für mich zuschreibe; dem entspricht das Lustgefühl in der Übereinstimmung, das Unlustgefühl im Wider- spruch zwischen Wert und Gegenstand, Wert aber hat für mich alles, dessen Dasein durch einen Trieb meiner Vernunft gefordert ist. Der gebildete Verstand ordnet hier über die sinnlichen Triebe die reinen Vernunfttriebe, die in Ideen den Wert des Lebens, der Schönheit, des Guten bestimmen: für die sinnlichen Triebe, auf die es hier ankommt, gilt aber das Gesetz, daß ihre Art und Zahl durch die körperlichen und geistigen Anregungen der Leben Stätigkeit bestimmt wird, und daß mithin Lust aus der Be- friedigung eines Bedürfnisses, Unlust aus der Versagung entspringt. Alle diese Triebe (Nahrungstrieb, Schutztrieb, Geschlechts- trieb, Geselligkeitstrieb u. s, w.) antworten mit „Lust“ auf ihre Befriedigung; Unlust auf ihr Gehemmtsein. Und Interesse hat für mich, was der Befriedigung eines Triebes dient. Wir sehen jetzt schon: das Wahninteresse beschränkt sich auf die sinnlichen Triebe; denn „Gültigkeit für alle“ stammt erst aus den reinen Ver- nunfttrieben. Das sinnlichste Wesen ist zugleich das egoistischste. Entspringt also das religiöse Vorurteil des Fanatikers etwa einem mißleiteten (in der Reflexion mißverstandenen) reinen Vernunft- triebe, so muß der Wahn einem irregehenden sinnlichen Triebe entsprechen, sei es nun, daß durch Verhältnisse der Reflexion oder des Bewußtseins, durch peinliche Erlebnisse oder unter dem Druck von Affekten dieser Trieb falsch gedeutet wird, sei es, daß diese Triebe von sich aus verändert sind.^ ‘ Daß die einzelnen oben genannten Triebe psycbiscli-komplexe Gebilde sind, die nach teleologischen Rücksichten zusammengefaßt werden, wie z. B. WUNDT (Physiol. Psych. III, S. 258 f.) hervorhebt, ist gewiß richtig. Dieser Umstand macht](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b28067319_0233.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)