Die Vorgänge in den Elementen des Nervensystems / von Max Verworn.
- Verworn, Max, 1863-1921.
- Date:
- 1906
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Credit: Die Vorgänge in den Elementen des Nervensystems / von Max Verworn. Source: Wellcome Collection.
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![Schätzung der Ganglieiizelle und Ueberscliätzung der Nervenfaser in Bezug auf ihre funktionelle Bedeutung unbedingt zurückweisen. Da sind in erster Linie die Erscheinungen der Er- müdung. Es ist eine lange bekannte Tatsache, die erst vor kurzem ihre Aufklärung gefunden hat, daß die Nervenfaser unter physio- logischen Bedingungen überhaupt unermüdbar ist. Demgegenüber ermüdet das Zentrum bei angestrengter Tätigkeit sehr leicht, so daß z. B. tlurch das Rückenmark bald keine Refle.xe mehr zu erzielen sind. Im Zentrum haben wir außer den Nervenfasern auch Ganglien- zellen, die mit ihnen in engster Verbindung stehen. Hätten diese nur nutritorische Funktion, und wäre die Fibrillensubstanz der eigent- liche Sitz der Refle.xfunktion, so müßten wir erwarten, daß das Zentrum, wo die Fibrillen in unmittelbarer Beziehung zu den Ganglienzellen stehen, viel schwerer ermüdbar wäre als die peripherische Nerven- faser. Gerade das Umgekehrte ist der Fall. Die Nervenfaser er- müdet überhaupt nicht. Das beweist, meine ich, zur Evidenz, daß im Zentrum die Ganglienzelle als integrierendes Glied in den ReÜe.x- bogen eingeschaltet ist. Ja noch mehr; die Ganglienzelle bestimmt geradezu Ablauf und Intensität des Reflexes, denn mit zunehmender Er- müdung nimmt die Höhe der Muskelzuckung, also die Intensität des Er- folges immer mehr ab, bis schließlich der Reflex ganz erlischt, während die Nervenfaser dabei ihre einzige Aufgabe, die Erregungsleitung, un- verändert weiter erfüllt. Diese Tatsachen der zentralen Ermüdung erwecken zugleich Bedenken, ob wir berechtigt sind, überall im Zentralnervensystem eine Kontinuität der Fibrillensubstanz anzu- nehmen, wie es Apäthy und andere behaupten. Ich denke, wir sollten vorsichtig sein und nicht ohne weitere Grundlagen Beobach- tungen, die an einzelnen Stellen des Zentralorgans besonders bei wirbellosen Tieren gemacht sind, verallgemeinern und auf alle speziellen Fälle ausdehnen. Die anatomischen Verhältnisse sind ja bekannt- lich in den verschiedenen Gru])pen des Tierreiches und auch in den verschiedenen Gebieten des Nervensystems bei dem gleichen Tier so außerordentlich verschieden, daß uns diese Erfahrung allein schon vor einer voreiligen Uebertragung der Verhältnisse von einem Ob- jekt auf das andere warnen sollte. Einen schönen Beleg dafür, daß die Prozesse, welche den Er- müdungserscheinungen zu Grunde liegen, tatsächlich in den Ganglien- zellen lokalisiert sind, liefern uns, wenn es eines solchen Beleges überhaupt bedarf, die histologischen ^'eränderungen, die sich bei der Ermüdung in den Ganglienzellen vollziehen und die von einer großen Zahl von Forschern, wie Hodge, Mann, Lugaro, Pick, Guerrini,](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b22471339_0013.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)