Psychoanalyse und verwandte Methoden / von Hans v. Hattingberg.

Hattingberg, Hans von, 1879-1944

Date:: 1927?]

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Credit: Psychoanalyse und verwandte Methoden / von Hans v. Hattingberg. Source: Wellcome Collection.

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Richtung, „weil es zu bestimmten Trieben in Verbindung steht, welche die Energie neu auffüllen“ (Schilder). Die Auffassung Bleulers wird durch die Annahme sinnvoll ergänzt, daß durch überstarke Affekte oder solche, die. ein noch unvorbereitetes junges Wesen treffen, gleich¬ sam Sicherungen durchschlagen und zerstört werden, die normalerweise der Erregung den Zugang zu den Uraffekten der primitiven Menschen verschließen. So kommt es, daß nun die affektive Reaktion immer wieder bis in Tiefen vordringt, die beim Gesunden durch die Entwickelung des Bewußtseins gesperrt sind. In diesem Sinn ist der hysterische Anfall als ein phylogenetisch älterer „hypobulischer‘ Mechanismus (Kretschmer), als ein „Bewegungssturm“ zu verstehen, „bei dem der psychische Gesamtapparat in einer entwicklungsgeschichtlich niederen Schaltung geht“. Als eine Primitivreaktion, die ebenso in der Panik (bei plötzlichen Katastrophen von Erdbeben, Bränden) beobachtet wird. Das gleiche gilt von der Ohnmacht, als Primitivreaktion des Sich-Totstellens; dem Stupor usw. Danach würde die Wirkung des psychischen Traumas dadurch zu erklären sein, daß es eine Bahnung für einen seelischen Kurz¬ schluß hinterläßt, eine gefährliche Anastomose zwischen sonst ge¬ trennten seelischen Strömungen. Die Wirkung der affektiven Ent¬ ladung des Abreagiere ns würde es sein, daß diese Kurzschlüsse durch einen ungreifbaren Selhstregulierungsvorgang ausgeschaltet werden. Schon bei den niedersten Lebewesen beobachtet man dem Abreagieren analoge Selbstregulationsvorgänge, ein „Sich-ad absurdum-FühreiT sinnloser Reaktionen. So zieht sich die Seeanemone Aiptasia zusammen, wenn man einen Wassertropfen auf sie fallen läßt. Die Reaktion hört jedoch bei Fortsetzung der Reize nach einiger Zeit auf, „es wird dem Tier zu dumm“, überflüssig zu reagieren, ebenso' wie das Wild die Schreckreaktion aufgibt, die zunächst ausgelöst wird, wenn es etwa zum erstenmal mit der Eisenbahn in Berührung kommt. Eine besonders wichtige Analogie scheint mir auch zu bestehen zu der Lösung der lokalen Verkrampfungstendenz einzelner Muskelgruppen bei der allmählichen Übung zunächst madaequater, weil angewohnter motorischer Synergien. Die Theorie der Nervendruckpunkte (besonders s. Wiedemann) ist zu weitgehend analogen Vor¬ stellungen gekommen. Man spricht hier von einem „Abreagieren“ der in einem be¬ stimmten Innervationsbezirk gestauten nervösen Erregung (gleichviel welcher Art), das durch kritische Übersteigerung des Schmerzreizes durch die Massage herbeigeführt werden soll. Durch das affektive Abreagieren erwerben die Neurotiker nachträglich Gefühls¬ geschicklichkeiten oder freie. Beweglichkeit des Affekts. Daß traumatische Eindrücke überhaupt einen lokalen Niederschlag hinterlassen, ist also mehr als wahrscheinlich, gleichviel, daß wir uns von seiner Art noch keine klare Vorstellung machen können. Jedoch spricht alles dafür, daß es sich dabei nur um einen „Gelegenheitsapparat“ (Bleuler) handelt, der nur dann in Tätigkeit tritt, wenn aus besonderen Gründen die innere Spannung krankhaft gesteigert ist. So erklärt es sich, daß m vielen Fällen die Erinnerungen an das Trauma erst nach Jahren, oft Jahr¬ zehnten zur „Inszenierung“ eines Krankheitshildes benutzt werden können. Auch dort, wo nach Abklingen der ersten neurotischen Phase eine jahre¬ lange Zeit völliger Gesundheit eingeschaltet war, wenn nun ein heftiger aktueller Konflikt die neurotische Reaktion auslöst. Jene Seite der inneren Bereitschaft, die durch das psychische Trauma geschaffen wird, hat also jedenfalls vom Standpunkt der Therapie sekundäre Bedeutung. Deshalb ist die Traumahypothese in ihrer ursprünglichen Form aufgegeben. 10*