Psychoanalyse und verwandte Methoden / von Hans v. Hattingberg.

Hattingberg, Hans von, 1879-1944

Date:: 1927?]

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Credit: Psychoanalyse und verwandte Methoden / von Hans v. Hattingberg. Source: Wellcome Collection.

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3. Die Affektstörung. Die ursprünglich Breuer-Freudsche Auffassung erklärte sich die kathartische Wirkung des Abreagierens durch die Annahme, daß dabei das im traumatischen Augenblick auf¬ gestaute und seither im Organismus zurückgehaltene Erregungsquantum aus dem Orga» nismus entfernt wird, wie ein eingeklemmter Fremdkörper. Die Unhaltbarkeit dieser vorwiegend mechanistisch gedachten Annahme ergibt sich ohne weiteres aus der Tat¬ sache, daß die Hysteriker in ihren Anfällen dauernd außerordentlich große Mengen affektiver Energie entladen, und zwar, wie sich nachweisen läßt, recht häufig unter gleichzeitiger Reproduktion der traumatischen Erlebnisse. Es kann sich also nicht mehr um „denselben“ Affekt handeln, der ursprünglich eingeklemmt wurde. Es ist vielmehr notwendig, an der kathartischen Entäußerung jene andere Seite zu berücksichtigen, welche die Breuer-Freudsche Lehre als Eingliederung in den assoziativen Zusammen¬ hang beschreibt. Die affektive Entladung allein bringt nur eine vorübergehende Er¬ leichterung, nicht die Heilung. Deshalb ist es unerläßlich, daß die wieder erlebten Szenen nach dem affektiven Abreagieren mit dem Arzt durchgesprochen werden. Sie kehren sonst immer wieder (Frank), sie sind intellektuell nicht abreagiert. Wir müssen also an der Wirkung des Abreagierens zweierlei unter¬ scheiden: auf der einen Seite die Entladung der inneren Span¬ nung 'durch die affektive Entäußerung, auf der anderen die Eingliederung dessen, was sich dabei äußert und ausdrückt, i n d e n Gesamtzusammenhang der Persönlichkeit dadurch, daß die Äußerung dem Sinne nach verstanden wird. Das Problem der Eingliederung durch Bewußtmachung und Verständ¬ nis des Sinnes ist vor allem das Problem der Psychoanalyse. Vom Stand¬ punkt der Psychokatharsis, der Auffassung der Neurose als Affektstörung, ergeben sich danach zwei Hauptfragen. Einmal die Frage nach der Be¬ deutung des Affekts für die Neuros eund damit nach der Bedeutung des Affekts überhaupt. Zum zweiten die Frage der affektiven Selbstspannung, die Frage, wie es sich verstehen läßt, daß es in der Neurose immer wieder von neuem zu einer Akkumu¬ lierung oder Aufspeicherung von affektiver Spannung kommt, welche die Symptome unterhält. Der Affekt kann als Symptombildner wirken, wie so häufig bei den Schreckneurosen des Kriegs, wenn irgendein Teil der Ausdruckserscheinungen des trau¬ matischen Affekts (ein Zittern, Herzklopfen, Stimmlosigkeit) aus dem Zusammenhang gerissen oder abgespalten wurde, um als Symptom oder Erinnerungssymbol (Freud) fixiert zu werden, so daß es nun isoliert ohne Affekt oder ohne verständlichen Zusammenhang mit ihm als Störung wiederkehrt. Das gleiche gilt vom Ganzen des Affekts, wie ein Beispiel zeigt, das schon die erste Veröffentlichung von Breuer-Freud bringt. So wird ein Angestellter infolge einer Mißhandlung von seiten seines Chefs hysterisch, weil er nun Anfälle produziert, in denen er zusammenstürzt, tobt und wütet, ohne ein Wort zu sagen. Anfälle, die er seihst nicht versteht, vor denen er Angst hat, weil sie ihn überwältigen, weil er ihnen gegenüber hilflos ist. Die Reproduktion in der Hypnose ergibt, daß er während des Anfalls die Szene durchlebt, wie der Herr ihn auf der Straße beschimpft und mit einem Stock schlägt, die Reproduktion eines zweiten, eine Szene, an die sich der Ausbruch der Krankheit knüpfte, eine Szene im Gerichtssaal, als es ihm nicht gelang, Satisfaktion für die Mißhandlung zu erreichen. Der Affekt wird auch hier dadurch z um nervösen Symptom, daß er aus dem Zusammenhang der Persönlichkeit losgerissen, ab gespalten oder verdrängt wird. Er wird dadurch unverständlich und