Psychoanalyse und verwandte Methoden / von Hans v. Hattingberg.

Hattingberg, Hans von, 1879-1944

Date:: 1927?]

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Credit: Psychoanalyse und verwandte Methoden / von Hans v. Hattingberg. Source: Wellcome Collection.

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Die zweite der Folgerungen ist die Einführung der Proble¬ matik in die Psychotherapie. Das heißt einmal: Wie die Suggestion, wie jedes seelische Heilverfahren, geht auch die Analyse zuletzt auf die Harmonie der seelischen Kräfte in der natürlichen Einheit der Persönlichkeit. Während aber die Suggestion dieses Ziel unmittelbar zu erreichen sucht, durch Betonung des Allgemeinen, des Zusammenhangs der bestehenden Ordnung, zu der man nur zurückzukehren braucht, um )Sein Gleichgewicht wiederzufinden, der gegenüber alle inneire Unruhe nichts als Störung bedeutet, geht die Analyse zunächst auf die „ana¬ lytische Erschütterun g“. Ihr Prinzip ist das der Störung, weil die Selbsterhaltungstendenz, die Trägheit eines oberflächlichen Gleich¬ gewichts die Entfaltung der lebendigen Kräfte und damit den natürlichen Zusammenschluß verhindert. Sie verfährt also analog der Reizkörper¬ therapie, die künstlich Reize setzt, um die natürlichen Abwehrkräfte des Organismus wachzurufen. Es ist von größter Bedeutung, daß sich die Grundgedanken dieser modernen Bewegung in der inneren Medizin zum Teil ohne Abänderung auf die psychoanalytischen Mechanismen über¬ tragen lassen (wie das besonders in Muchs kleiner Schrift „Gedanken zum Heilproblem“ deutlich wird). Von hier aus wird auch die Bedeutung der Sexualtheorie ver¬ ständlich. Daß sie heute noch bei vielen den größten Widerstand hervor¬ ruft, spricht dafür, daß Freud damit einen Kernpunkt berührt, oder mit anderen Worten, daß die Analyse Sexualanalyse ist, nicht nur für die oberflächliche Betrachtung von außen, sondern dem Wesen nach. Die Be¬ hauptung, daß die Entwicklung der Sexualität schon beim Säugling be¬ ginne, ja daß man das Kind „polymorph pervers“ nennen könne, mußte einen Sturm der Entrüstung erregen, weil in der Reinheit des Kindes das Sinnbild der christlichen Weltanschauung angegriffen ist, weil die Unter¬ scheidung von höherer Diebe und niederer Sinnlichkeit nicht nur der Ge¬ schlechtsmoral, sondern der Sittlichkeit überhaupt Halt gibt. Weil aber geistige Krisen und solche der Sinnlichkeit einander wechselseitig be¬ dingen, weil die große Umwälzung, in der wir stehen, vor allem das Ver¬ hältnis zwischen den Geschlechtern begreift, war die analytische Er¬ schütterung notwendig. Daß wir heute auch dort zu verstehen anfangen, wo wir bisher nur moralische Entrüstung oder die Stigmatisierung als Krankheit kannten, wie gegenüber den Verkehrtheiten unseres Liebes- lebens, den Perversionen, diese Entwicklung ist nicht denkbar ohne den analytischen Angriff auf die Grenzen der Sinnlichkeit, der das Tiefste in uns aufwühlt. Deshalb ist die Sexualdeutung notwendig, weil und solange sie uns erschüttert. Solange sie dadurch noch Widerstand hervorruft, sei es als inadaequaten Affekt oder als das Lächeln oberflächlicher Über¬ legenheit, muß die Psychoanalyse Sexualanalyse bleiben. Die Erschütterung des seelischen Gleichgewichts wird als Zweifel an sich selbst, und wenn sie den Kern der Persönlichkeit trifft, als Verzweif¬ lung erlebt. Psychoanalyse ist methodischer Zweifel an der Selbstverständlichkeit des eigenen Bewußtseins. Das aber heißt Auflösung aller Bindungen, die dem Menschen bisher Halt gaben. Die Analyse stellt den Menschen ganz auf sich selbst und das bedeutet eine