Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung / von Max Rubner.

Max Rubner

Date:: 1902

Catalogue details

Licence: In copyright

Credit: Die Gesetze des Energieverbrauchs bei der Ernährung / von Max Rubner. Source: Wellcome Collection.

12/440 (page 2)

nachzugehen, ebenso gewiss ist es nach meiner Auffassung unmöglich, nur in dieser engeren Begrenzung das Studium der Ernährung für ausrei- chend zu halten. Die consequente Verfolgung des Eiweissumsatzes, des Fett- und Kohlehydratumsatzes hat zur Erkenntnis wichtiger Bezie- hungen für den Eiweissbedarf, wie auch hinsichtlich der Verbrennlichkeit der einzelnen Stoffe im Thierkörper geführt, aber im Ganzen doch zu keiner Verschmelzung der Ernährungswerthe der drei Haupttypen der organischen Nahrungsstoffe, noch weniger aber zu einer Definition des Nahrungsbedarfes unter verschiedenen Umständen. Ich halte es für unzulänglich, sich auf diese Erkenntnis des empirisch gefundenen Stoffumsatzes allein zu beschränken, und diesen Weg eines ausschliesslich stofflichen Studiums zu einer weiteren Er- klärung der Gesetze der Ernährung für unzureichend. Die mit den chemischen Umsetzungen einhergehenden physikali- schen Erscheinungen sind, wie ich zuerst bewiesen habe, für biolo- gische Fragen so wichtiger Natur, dass sie ebenbürtig neben den stofflichen Vorgängen mit in Betracht gezogen werden müssen. Die Ernährungsvorgänge sind chemische Processe einer ganz beschränkten Anzahl organischer Verbindungen mit dem Protoplasma, aber inner- halb des beschränkten Gebietes dieser chemischen Reaction besitzen die energetischen Vorgänge eine ungeheuere Bedeutung. Und so müssen wir versuchen, in diese complicirten Getriebe vorzudringen, indem wir die verschiedenen Eigenthümlichkeiten der Nahrungsstoffe und Körperstoffe zu verfolgen versuchen. Wird auch die Beobachtung der Bilanzen das Vordringen in das Wesen der inneren Lebensprocesse immer nur in bescheidenerWeise fördern können, so wird sich doch zeigen lassen, dass man dieser Beihilfe für die Auffassung von den Lebensprocessen nicht entrathen kann, und dass die Dienste des Energieumsatzes nicht so unwesentlich sein werden, als manche meinen. Die energetische Betrachtung allein vermag uns erst über den vollen Umfang der gegenseitigen Beziehungen der Stoffe über die Möglichkeit compensatorisclier Wirkungen, über den wichtigen Begriff des GesammtstoffWechsels als eine für das Individuum wesentliche Einheit aufzuklären. Derjenige Forscher, welcher zuerst neben der chemischen Be- trachtung der Umsetzungen im Thierkörper auch die physikalische Seite in Betracht gezogen hat, war Lavoisier. Im Wesentlichen dienten seine Betrachtungen zur Begründung der Lehre von der Quelle der thierischen Wärme als Product der chemischen Umwandlungen; die Wärme stammt aus der eigenartigen Verbrennung der Nahrungs- stoffe in feuchtem Zustande durch die Zellen. Die Aeusserungen Lavoisier1 s, kann man heute sagen, waren mehr divinatorischer Art, als wirklich beweisender Natur. Denn zu dem Beweise, dass alle Wärme wirklich nur aus den umgesetzten Stoffen stamme, fehlten die unbedingt nothwendigen Voraussetzungen und