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Credit: Toxine und Antitoxine. Source: Wellcome Collection.
Provider: This material has been provided by the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University, through the Medical Heritage Library. The original may be consulted at the Harvey Cushing/John Hay Whitney Medical Library at Yale University.
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![charakterisiert durch die strenge Spezifizität ihrer Wirkung. Die Toxine zeigen eigentümliche, für ihre Gruppe charakteristische Wir- kungen, auf die wir unten zurückkommen werden. Daneben hat jedes Toxin noch eine besondere Wirkungsart, die bei den Bakterientoxinen einen engen Zusammenhang mit der durch ihre Mutterzelle erzeugten Krankheit zeigt, und beim Tetanusgift bis zur völligen Analogie wird. Sie sind auch in anderem Sinne streng spezifisch, d. h. sie vermögen nur ge- wisse Lebewesen zu schädigen, während sie andere, zum Teil eng ver- wandte, völlig unbeemflusst lassen, wodurch sie in wichtige, funda- mental bedeutsame Beziehungen zur natürlichen Immunität treten; nicht minder wichtig sind ihre Beziehungen zur erworbenen Immu- nität dadurch, dass es eine grundlegende Eigenschaft der Toxine ist, im angegriffenen Organismus Gegengifte streng spezifischer Natur zu bilden, die die Gifte in vivo unschädlich machen und die, vom er- zeugenden Organismus losgetrennt, auch in vitro ihre spezifische, neu- tralisierende Wirkung auf ihr zugehöriges Toxin und nur auf dieses entfalten. Zu jedem echten Toxin gehört also auch ein echtes Antitoxin. Andererseits sind bisher alle Versuche, gegen einfache krystallo'ide Gifte wahrhafte Antitoxine zu erzeugen, fehlgeschlagen. Auch die letzte dies- bezügliche Behauptung von Hiesciilaff ]), der ein Antimorphinserura hergestellt haben wollte, ist von Morgenroth 2) als völlig unbewiesen und auf mangelnder Genauigkeit in der Einstellung der Dosis letalis minima beruhend nach- gewiesen worden. Doch nicht nur chemisch und physiologisch haben wir jetzt das Material in der Hand, um absolut scharf den Begriff des Toxins zu be- grenzen, wir haben auch noch eine willkommene Ergänzung dieser Definition in der theoretischen Fundierung. Ein Toxin ist ein Gitt, das nach der EuRLiciischen Seitenkettentheorie minde- stens zwei spezifische Atomgruppen besitzt, eine hapto- phore, die die Verknüpfung mit der anzugreifenden Zelle besorgt und eine toxophore, die die deletäre, die Giftwirkung vollzieht. Jeder Stoff, der zu bestimmten Protoplasmakomplexen eine spezifische Affinität, eine passende haptophore Gruppe besitzt, ist ein Haptin, und jedes giftige Haptin, das also noch eine toxophore Gruppe besitzt, ist ein Toxin. Wir müssen also in dieser Weise die Definition des Toxins fassen, und jeden giftigen Stoff, der kein Haptin ist, kein Antitoxin erzeugt, streng von den Toxinen sondern. Bei den tierischen und pflanzlichen Toxinen ist das viel leichter ge- schehen ; niemandem wird es einfallen, die Alkalo'ide u. s. w. der Pflanzen l) Hirschlaff, Antimorpbinserum. Berl. klin. Woch., 1902. - Mor.c.EXROTH, Zur Frage d. Antimorphinserums. Berl. klin. Woch., 1903, 21.](https://iiif.wellcomecollection.org/image/b21009302_0014.jp2/full/800%2C/0/default.jpg)